Physik

Physiker sind elementaren quantenchemischen Prozessen bei der Dreikörperrekombination auf der Spur

Universität Ulm

Dank einer innovativen Methode können Wissenschaftler um den Ulmer Physiker Professor Johannes Hecker Denschlag erstmals elementare Schritte der Molekülbildung bei der Dreikörperrekombination nachvollziehen. Ein neuartiger Versuchsaufbau, der eine Falle für kalte neutrale Atome und für Ionen kombiniert, macht es möglich: Die Wissenschaftler sind erstmals in der Lage, quantenmechanische Bindungszustände der Atome unmittelbar nach der Drei-Partikel-Kollision in einem ultrakalten Gas exakt zu bestimmen.

Bisher konnte man lediglich das Endprodukt nach etlichen Zustandsänderungen, so genannten Relaxationsprozessen, beobachten. Die Neuerung dient vor allem der Grundlagenforschung und ermöglicht ein vertieftes Verständnis komplexer chemischer Prozesse. Der Fachartikel der Wissenschaftler aus Ulm und Hannover ist in dem renommierten Journal „Nature Physics“ erschienen.

Bei der so genannten Dreikörperrekombination fliegen drei Atome aufeinander zu: Zwei Atome reagieren chemisch zu einem Molekül und das dritte transportiert einen Teil der dabei entstandenen Energie ab. Das neu gebildete Molekül kann sehr viele verschiedene quantenmechanische Zustände einnehmen, die die Physiker nun erstmals untersucht haben. „Wir arbeiten mit ultrakalten Gasen, damit die Ausgangsbedingungen für die Reaktion exakt definiert sind“, erklärt Johannes Hecker Denschlag, Leiter des Ulmer Instituts für Quantenmaterie.

Die neue Methode umfasst mehrere Schritte in einer Ultrahochvakuumapparatur: Die Wissenschaftler kühlen ein Gas aus Rubidiumatomen mit einem Laserstrahl auf eine Temperatur von einem Millionstel Grad Kelvin ab und halten die Atome dann in einer Falle gefangen. So bildet sich eine ultrakalte, kleine Wolke von etwa hunderttausend Atomen. Sie hat einen Durchmesser von weniger als einem zehntel Millimeter und schwebt in der gut isolierten Vakuumapparatur. Bilden sich nun Moleküle in hochangeregten Zuständen, so können sie mit Hilfe eines Lasers nachgewiesen werden. Die Wissenschaftler stellen dazu den Laser auf bestimmte Frequenzen ein und ionisieren damit zustandsselektiv einzelne Moleküle, die anschließend in der Ionenfalle detektiert werden.

Ideengeber der neuen Methode war „Genosse Zufall“: „Beim Arbeiten mit kalten Atomen tauchten in unserer Ionenfalle plötzlich Molekülionen auf, die wir zunächst nicht erwartet hatten. Bald wurde klar, dass wir es hier mit Reaktionsprodukten aus Dreikörper-Stößen zu tun hatten. Wir suchten also nach Möglichkeiten, die Signale im Detail zu verstehen und zu einer Methode auszubauen. Hier kam uns die Spektroskopie-Expertise unseres Partners Professor Eberhard Tiemann aus Hannover zugute“, erinnert sich Johannes Hecker Denschlag.

Die aktuelle Fachpublikation ist ein Produkt des kürzlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) um vier Jahre verlängerten Sonderforschungsbereichs/ Transregio 21 „Kontrollierte Wechselwirkung in maßgeschneiderter Quantenmaterie“. Neben Ulm sind die Universitäten Stuttgart (Sprecherhochschule), Tübingen und das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart an dem Sonderforschungsbereich (SFB) beteiligt. „Aber nicht nur die Zusammenarbeit im SFB, sondern auch das Netzwerk des Centers für Integrierte Quantenwissenschaft und –technologie, IQST, hat unsere Forschung gestützt“, so Hecker Denschlag. Die Mitglieder von IQST wollen Synergien zwischen Chemie, Elektroingenieurwesen, Mathematik und Physik nutzen, um so die Quantenwissenschaft als Ganzes voranzubringen.

(Nature Physics, 2013; doi:10.1038/nphys2661)

(Universität Ulm, 25.06.2013 – KSA)

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