Forscher um Professor Raffaele Mezzenga haben ein Hybridmaterial aus Gold und Milchproteinen geschaffen, das wie eine hauchdünne Goldfolie aussieht. Dank ihrer Eigenschaften könnte sie für Anwendungen von der Gastronomie bis hin zur Schmuckindustrie interessant sein.
Die Idee für ein «Goldpapier» kam Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien, vor einem Jahr. Damals arbeitete seine Gruppe an einem aussergewöhnlichen Hybridmaterial, einer hauchdünnen, papierartigen Mischung aus Graphen und Proteinfasern. Das Rezept ist universell anwendbar und relativ einfach: Man mischt in wässriger Lösung faserartige Objekte mit plättchenförmigen Gebilden und filtriert dieses Gemisch mithilfe eines Vakuums. Plättchen und Fasern lagern sich zusammen und bleiben auf dem Filter als dünner Film zurück. Von einem neuartigen Hybridmaterial mit einem Metall anstelle des Kohlenstoffs erhoffte sich der ETH-Professor breite Anwendbarkeit und – im Fall des Goldes – tiefere Kosten für verschiedene Anwendungen.
So setzte Mezzenga seine Mitarbeiter Chaoxu Li und Sreenath Bolisetty darauf an, eine Art Blattgold aus Proteinfasern und Goldplättchen zu erzeugen. Dazu mussten die Forschenden erst die Fasern herstellen, in dem sie ein von Natur aus kugeliges Milchprotein, das sogenannte Beta-Lactoglobulin, mit Hilfe von Hitze und Säure in eine gestreckte Form brachten. Wie alle Proteine bestehen auch Milchproteine aus einer Kette von zahlreichen Einzelbausteinen, den Aminosäuren. Unter natürlichen Bedingungen bilden die Ketten komplexe und kompakte Strukturen. Hitze oder Chemikalien brechen diese Strukturen auf, sodass sich die Ketten fadenartig ausbreiten.
Einkristalle verbinden sich mit Protein
Mehrere dieser Milchproteinfäden lagern sich schliesslich selbstorganisierend zu dickeren, spiralig verdrehten Fasern zusammen. In die saure Lösung mit den Fasern gaben die Forscher Gold in Form eines Salzes. Die Proteinfasern erlauben es dem Gold, sich in kleinen Plättchen von einem Mikrometer Durchmesser und 100 Nanometern Dicke neu zu formieren. Das Gold wächst als so genannter Einkristall, in welchem die Gold-Ionen ein Kristallgitter ohne jegliche Defekte bilden.
Goldplättchen und Fasern lagern sich danach schichtartig aneinander. Die dünne Folie, welche nach dem Filtrieren zurückbleibt, entsteht nach dem gleichen Prinzip wie Papier aus Cellulose. Das neuartige Hybridmaterial ist sehr stabil, ändert aber bei Wasserkontakt seine physikalischen und optischen Eigenschaften.
Goldpapier vergoldet exklusive Esswaren
Eine erste potenzielle Anwendung sieht Raffaele Mezzenga in der Gastronomie. Seit langem ist reines Gold als Lebensmittelzusatz E-175 zugelassen und wird dazu verwendet, Desserts, Drinks und sonstige speziell zubereitete Esswaren zu dekorieren. Weil das neue Hybridmaterial aus Gold und Nahrungsproteinen besteht, sieht der Forscher kein Hindernis, dieses für kulinarische Zwecke einzusetzen und dadurch die Kosten, die für den Gebrauch von reinem Gold anfallen, deutlich zu senken.
Noch interessanter sind die ungewöhnlichen optischen Eigenschaften des «Goldpapiers» gerade deshalb, weil das Gold als Einkristall vorliegt. Diese Eigenschaften verändern sich beispielsweise je nach pH-Wert. So könnte das Hybridmaterial zu Säuremessungen in Sensoren verwendet werden. Das «Papier» ist je nach Zusammensetzung auch unterschiedlich leitfähig und empfiehlt sich auch für Anwendungen in der Mikroelektronik.
Material macht Unterschied
Weil das Goldpapier oberflächlich kaum von Blattgold zu unterscheiden ist – es hat Glanz und Farbe von Gold -, dürfte es auch für die Uhren- und Schmuckindustrie interessant sein. Diese könnten mit der Protein-Goldfolie ihren Bedarf für das Edelmetall senken. Um Blattgold zu imitieren, braucht es für das Hybridmaterial lediglich einen Anteil von einem Drittel Gewichtsprozent Gold. Für das Vergolden von beispielsweise Zahlen auf Ziffernblättern von Armbanduhren wäre das neue Produkt deshalb prädestiniert. «Wenn man sich vor Augen führt, was pures Gold kostet, macht dieses neue Material einen echten Unterschied», sagt der ETH-Professor. Es könne einerseits helfen, den weltweiten Goldbedarf zu senken und damit auch den Druck auf natürliche Vorkommen zu verringern. Andererseits erweitere dieses Hybridmaterial die Anwendungsbereiche von Gold.
Die Forscher haben ihre Erfindung zum Patent angemeldet. Mezzenga hofft, dass die Industrie am neuen Material Interesse zeigt: «Gold ist ein heikles Thema. Das Potenzial für Anwendungen ist jedoch hoch.»
(Adv. Mater, 2013; doi: 10.1002/adma.201300904)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 18.06.2013 – KSA)