Auf den ersten Blick ähnelt diese Meeresschnecke verblüffend einem leckeren Salatblatt – nachgebildete Blattrippen und der leicht eingerollte Blattrand tragen zu dieser Illusion bei. Aber auch das Innenleben ist ziemlich pflanzenähnlich. Denn die Schnecke trägt Algenteile in ihren Zellen, die es ihr ermöglichen, Energie durch Photosynthese zu erzeugen – wie ein echtes Blatt.
Schon seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass die Meeresschnecke Elysia chlorotica Algen „beklaut“: ihre Larven suchen gezielt Fäden der Grünalge Vaucheria litorea, raspeln deren Wände auf und saugen die Zellen leer. Dabei nehmen sie die Chloroplasten der Algen in sich auf – die Organe der Photosynthese. Diese werden in eine spezielle Zellschicht der Schnecke eingebaut und arbeiten dann dort weiter, als säßen sie noch in der Alge. „Das erlaubt es der Schnecke, Sonnenlicht für ihre Ernährung zu nutzen“, erklärt Sidney Pierce von der University of Maryland. „Wenn ihre normale Nahrung knapp wird, muss sie nicht verhungern.“
Unklar war aber bisher, warum die Chloroplasten in der Schnecke so lange halten: Sie arbeiten trotz völlig fremder Umgebung noch rund neun Monate weiter – und damit viele länger als sie es in der Alge tun würden. Pierce und seine Kollegen haben dafür kürzlich den Grund entdeckt: Die Schnecke trägt ein Algengen in ihrem Erbgut, dass gezielt für die Reparatur und „Wartung“ der Chloroplasten sorgt. Dieses Gen wird den Jungschnecken bereits von ihren Eltern mitgegeben und bereitet sie so optimal für ihre Karriere als falsches „Blatt“ vor.
