Heiliges Wasser: Archäologen haben auf der Osterinsel ein Wasser- und Fruchtbarkeitsheiligtum der Rapa Nui entdeckt. Es besteht aus mehreren Becken, Kanälen und einer Prozessionsstraße, die an einen Wasserfall anschließen – und einst offenbar rituellen Zwecken dienten. Welche Rituale hier genau stattfanden, ist allerdings noch rätselhaft.
Riesige Steinköpfe mit großen Nasen und langen Ohren blicken Ankommenden entgegen: Die monumentalen Moais der Osterinsel sind so weltberühmt wie geheimnisvoll. Bis heute ist unklar, wozu die einstigen Bewohner der entlegenen Vulkaninsel im Südpazifik diese Steinstatuen errichteten – und auch sonst liegen viele Details über das Leben der Rapa Nui noch im Dunkeln.
Neue Einblicke in die kulturellen Traditionen der Osterinsel-Bewohner geben nun überraschende archäologische Funde. Burkhard Vogt vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin und seine Kollegen haben an der Fundstätte Ava Ranga Uka a Toroke Hau künstliche Kanäle und Wasserbecken freigelegt, die sich unmittelbar an einen drei Meter hohen Wasserfall anschließen.
Religiös sanktioniert
Die aus Bruchsteinen und Geröll errichteten Becken stammen aus unterschiedlichen Perioden und Bauphasen – ihr Grundriss variiert von rechteckig, über trapezförmig bis hin zu unregelmäßig. Das Interessante dabei: Offenbar bewegten die Rapa Nui einst gewaltige Mengen von Stein- und Schottermaterial, um ältere Becken, aber auch Kanäle mit monumentalen Terrassen zu überbauen. Wozu dieser Aufwand?
„Die Terrassen scheinen die früheren Installationen förmlich zu versiegeln und von einer weiteren Nutzung auszuschließen“, schreiben die Archäologen. Ihrer Ansicht nach könnte dies bedeuten, dass der Zugang zum Wasser des Wasserfalls und des zugehörigen Baches gesellschaftlich und religiös sanktioniert und durch Tabus reglementiert wurde. Immerhin war Süßwasser auf der Insel inmitten des Pazifiks schon immer ein wertvolles Gut und leicht erreichbare Wasserspeicher selten.
Rituelle Bemalungen
Gestützt wird diese These durch eine Art Prozessionsweg, den Vogt und sein Team entdeckten. Dieser gepflasterte Pfad führt vom Wasserfall aus dem Tal heraus und passiert dabei in einem Abstand von gut 15 Metern die bekannte Zeremonialplattform Ahu Hanuanua mea mit ihrem einzelnen Moai. „Dies untermauert unsere Vermutung, dass derartige Wege nicht dem Transport der Monumentalstatuen dienten, sondern vielmehr als Prozessionsstraße, die in diesem Fall am Wasserfall ihren Anfang nahm“, schreiben sie.
Und noch etwas spricht für eine rituelle Bedeutung der nun freigelegten Anlagen: Erst kürzlich wurden an dem Fundplatz mehrere Gruben entdeckt, in denen die Osterinsel-Bewohner rötliches Pigment herstellten. Bekannt ist, dass die Farbe Rot auf der Osterinsel einst heilig war – sie repräsentierte spirituelle Kraft, physische Stärke und Fruchtbarkeit.
Regen- und Fruchtbarkeitszauber
Zusammen mit der Tatsache, dass Seen, Brunnen und Quellen im polynesischen Kulturkreis als Sitz von Göttern und Geistern gelten, kommt das Archäologenteam zu dem Schluss: Die am Wasserfall entdeckten Kanäle und Becken waren einst Teil eines Wasser- und Fruchtbarkeitsheiligtums. Hier könnten rituelle Handlungen stattgefunden haben, die einerseits einen Regenzauber bewirken, andererseits aber auch die menschliche Zeugungsfähigkeit steigern sollten.
Wie diese Rituale genau vonstattengingen und welche Funktion die Wasserbecken erfüllten, ist zwar noch rätselhaft. Die Forscher hoffen aber, dass weitere Untersuchungen in Zukunft Einblicke in die frühe Nutzung des Heiligtums liefern werden. (iDAI Publications, 2018; e-Forschungsbericht)
(Deutsches Archäologisches Institut, 22.11.2018 – DAL)