Biologie

Schimpansen haben doch echte Kulturen

Soziale Verhaltensunterschiede deuten auf kulturelles Lernen hin

Wie oft sich Schimpansen gegenseitig das Fell pflegen, ist auch eine Frage ihrer Kultur. © Clara Dubois

Von wegen typisch menschlich: Auch Schimpansen können soziale Kulturen entwickeln. Dies bestätigen nun Beobachtungen wildlebender Tiere in einem Schutzgebiet in Sambia. Sie zeigen, dass es zwischen getrenntlebenden Schimpansen-Gruppen charakteristische Unterschiede im Sozialverhalten gibt – Unterschiede, die kulturell gelernt sein müssen. Denn die Gene oder die Umwelt lassen sich als Erklärung für die Verhaltensunterschiede ausschließen, wie die Forscher berichten.

Kultur im Sinne eines angelernten sozialen Verhaltens galt lange Zeit als Domäne des Menschen. Doch Wissenschaftler vermuten inzwischen, dass auch andere Lebewesen echte Kulturen entwickeln können. Hinweise darauf wollen sie unter anderem bei unseren engsten Verwandten, den Schimpansen, gefunden haben. Demnach sind die Menschenaffen durchaus zu kulturellen Handlungen fähig – und legen mitunter sogar Verhaltensweisen an den Tag, die an religiös motivierte menschliche Rituale erinnern.

Einfluss von Genen und Umwelt

Doch was ist an diesen Beobachtungen wirklich dran? Wie Sarah DeTroy von der Universität Leipzig und ihre Kollegen berichten, vergleichen Forscher in den meisten Fällen Gruppen wilder Schimpansen, die in unterschiedlichen Umgebungen leben und große genetische Unterschiede aufweisen. Daher sei nicht auszuschließen, dass vermeintlich kulturell bedingte Verhaltensunterschiede zwischen Gruppen eigentlich auf die Gene oder die Umwelt zurückgehen.

Um den Einfluss solcher Faktoren auszuschließen, haben die Wissenschaftlerin und ihr Team nun vier Schimpansen-Gruppen im Schutzgebiet Chimfunshi in Sambia beobachtet. Die dort lebenden Menschenaffen teilen sich nicht nur denselben Lebensraum, es gibt auch keine systematischen genetischen Unterschiede zwischen ihnen. „Diese Bedingungen bieten uns eine einzigartige Möglichkeit, kulturelle Unterschiede bei Schimpansen zu untersuchen“, sagt DeTroy.

Mal mehr, mal weniger gesellig

Während des drei Jahre dauernden Untersuchungszeitraums dokumentierten die Forscher diverse Aspekte des Sozialverhaltens der Tiere – wie viele Individuen finden sich zu Kleingruppen innerhalb der Großgruppe zusammen, wie nah kommen sich die einzelnen Individuen durchschnittlich und wie oft betreiben sie gegenseitige Fellpflege? Dabei zeichnete sich ab, dass es in Bezug auf diese Fragen tatsächlich deutliche Unterschiede zwischen den vier getrenntlebenden Gruppen gab.

Den größten Unterschied stellte die Größe der sogenannten Subgruppen dar – also die Anzahl der Individuen, die im Alltag eng zusammenleben. So formten zwei der Gruppen signifikant größere Subgruppen als die anderen beiden. „Die geselligsten Gruppen zeigten sich auch in den anderen Aspekten sozialer“, berichtet Seniorautor Daniel Haun. „Die Schimpansen in diesen Gruppen waren durchschnittlich räumlich näher beieinander und betrieben viel häufiger gegenseitige Fellpflege.“

Sozial gelernt

Das Entscheidende dabei: All diese beobachteten Unterschiede waren über die Zeit hinweg stabil und schienen somit charakteristisch für die jeweilige Schimpansen-Gruppe zu sein. Dies deutet den Wissenschaftlern zufolge darauf hin, dass sie tatsächlich das Ergebnis von kulturellem Lernen sein könnten.

„Obwohl wir die Ursprünge dieser Unterschiede in der Studie nicht direkt untersucht haben, wissen wir, dass Schimpansen sozial voneinander lernen können und dass Primaten ihr Sozialverhalten an ihren Kontext anpassen können. Die Individuen in den jeweiligen Gruppen haben möglicherweise Interaktionsmuster anderer Schimpansen beobachtet und sie sozial gelernt“, erläutert Haun.

In Zukunft wollen er und seine Kollegen die Weitergabe von kulturellen „Trends“ bei den Schimpansen genauer untersuchen: Wie zum Beispiel beeinflussen die Unterschiede in der allgemeinen Geselligkeit andere Verhaltensweisen, etwa die Kooperation? (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1722614115)

(Universität Leipzig, 21.11.2018 – DAL)

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