Keine Option: In sogenannten Saatgutbanken sollen die Samen bedrohter Pflanzen für die Nachwelt bewahrt werden – doch bei etlichen Spezies dürfte dies schwierig werden, wie eine Studie nun enthüllt. Demnach eignen sich erstaunlich viele Pflanzensamen gar nicht zur Lagerung in solchen modernen „Arche Noahs“. Der Grund: Sie überstehen das für die Konservierung im Eis nötige Trocknungsverfahren nicht, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Plants“ berichten.
Immer mehr Pflanzen auf unserem Planeten sind vom Aussterben bedroht. Um den Verlust dieser Arten zu verhindern und die biologische Vielfalt zu bewahren, gelten sogenannte Saatgutbanken als eine vielversprechende Lösung. In diesen modernen Arche Noahs werden die Samen von Pflanzen eingefroren und so für die Nachwelt erhalten. Im arktischen Eis auf Spitzbergen etwa lagern inzwischen Saatkörner von Weizen, Reis und Co, um im Katastrophenfall die Nachzucht wichtiger Nahrungspflanzen zu ermöglichen.
In ihrer „Globalen Strategie zum Schutz der Pflanzen“ haben sich die Vereinten Nationen zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 75 Prozent der weltweit am stärksten bedrohten Spezies in solchen eisigen Tresoren zu konservieren. Doch ist das überhaupt möglich? Forscher haben jüngst Schätzungen veröffentlicht, nach denen acht Prozent aller Pflanzenarten Samen produzieren, die sich womöglich gar nicht zur Lagerung in Saatgutbanken eignen – darunter auch Nahrungspflanzen wie Kakao und Mango.
Schaden durch Trocknung
Sarah Wyse von der Lincoln University im neuseeländischen Canterbury und ihre Kollegen haben nun untersucht, auf wie viele bedrohte Spezies dies zutreffen könnte. Dafür entwickelten sie ein Modell, um das Verhalten unterschiedlicher Saatgutarten unter bestimmten Lagerbedingungen vorherzusagen.
Das ernüchternde Ergebnis: 36 Prozent der von der Weltnaturschutzunion als „stark vom Aussterben bedroht“ klassifizierten Pflanzenarten produzieren Samen, die nicht austrocknungsresistent sind. Das bedeutet: Sie überstehen keinen Trocknungsprozess und können somit auch nicht nach dem herkömmlichen Verfahren eingefroren werden. Dasselbe trifft den Ergebnissen zufolge auf 35 Prozent der gefährdeten Spezies zu.
Ziel nicht erreichbar
In einem weiteren Schritt widmeten sich die Wissenschaftler den weltweiten Baumarten. Auch hier zeigte sich, dass sich immerhin 33 Prozent aller globalen Spezies nicht für die Lagerung in einer Saatgutbank eignen – unter anderem bestimmte Eichenarten. Besonders groß ist der Anteil dieser Baumarten allerdings in feuchten, tropischen Wäldern, wie das Forscherteam berichtet.
„Unsere Forschungsarbeiten offenbaren, dass der Anteil der nicht in Saatgutbanken konservierbaren Spezies unter den gefährdeten und bedrohten Arten sehr hoch ist und dass Bäume besonders stark von diesem Phänomen betroffen sind“, schreiben Wyse und ihre Kollegen. Damit zeichnet sich ihnen zufolge auch ab: Das von den Vereinten Nationen formulierte 75-Prozent-Ziel ist nicht erreichbar – zumindest nicht so kurzfristig.
Alternative Kryokonservierung?
Denn um die betroffenen Pflanzenarten doch noch außerhalb ihres natürlichen Lebensraums für die Nachwelt zu bewahren, müssen nun zunächst alternative Konservierungsmethoden evaluiert werden. Wyse und ihr Team schlagen in diesem Zusammenhang die sogenannte Kryokonservierung vor. Während Samen in herkömmlichen Saatgutbanken getrocknet und bei minus 20 Grad Celsius eingefroren werden, kommt bei der Kryokonservierung flüssiger Stickstoff zum Einsatz und die Samen werden bei deutlich niedrigeren Temperaturen von minus 196 Grad Celsius gelagert.
Nach Ansicht der Forscher könnten mit dieser Methode auch nicht austrocknungsresistente Arten für lange Zeit aufbewahrt werden. „Die ex-situ Bewahrung von Pflanzen ist angesichts zahlreicher Bedrohungen wie dem Klimawandel, dem Verlust von Lebensräumen oder der Ausbreitung von Krankheitserregern so wichtig wie nie“, konstatiert Mitautor John Dickie von den Royal Botanic Gardens in Ardingly. „So vielversprechend Saatgutbanken für einige Arten auch sind, sie eignen sich nicht für alle Spezies – und für deren Schutz müssen wir andere Wege finden.“ (Nature Plants, 2018; doi: 10.1038/s41477-018-0298-3)
(Royal Botanic Gardens Kew, 05.11.2018 – DAL)