Anhaltende Nachwirkung: Lange Weltraummissionen verändern die Hirnstruktur von Astronauten – und diese Folgen können noch Monate nach Landung anhalten, wie nun eine Langzeitstudie enthüllt. Bei russischen Kosmonauten nahm noch sieben Monate nach Rückkehr zur Erde die Hirnflüssigkeit zu, während die weiße Substanz schrumpfte. Ob diese Spätfolgen die geistigen Leistungen von Astronauten beeinträchtigen kann, ist bisher noch unklar. Vor einem Marsflug oder einer Mondstation müsse dies dringend geklärt werden, so die Forscher.
Astronauten haben es nicht leicht: Schon im niedrigen Erdorbit bekommen sie Fieber und ihre Muskeln und Knochen schwinden durch die Schwerelosigkeit, wenn sie nicht fortwährend dagegen antrainieren. Wenn sie jedoch die schützende Sphäre des irdischen Magnetfelds verlassen, droht weiteres Ungemach. Beobachtungen bei Apollo-Astronauten deuten darauf hin, dass die kosmische Strahlung das Herz-Kreislaufsystem schädigen könnte. Und bei Mäusen verursachte das energiereiche Teilchenbombardement sogar Demenz und Hirnschäden.
Weniger graue Substanz nach der Landung
Doch wie sich nun zeigt, verändert sich das Gehirn von Astronauten sogar schon in der Erdumlaufbahn – und dies nachhaltig. Entdeckt haben dies Angelique Van Ombergen von der Universität Antwerpen und ihre Kollegen, als sie die Hirnstruktur von zehn Kosmonauten analysierten, die zwischen 2014 und 2018 im Schnitt 189 Tage an Bord der Internationalen Raumstation ISS verbracht hatten. Die Teilnehmer wurden vor ihrem Start, unmittelbar nach Landung und sieben Monate später mittels Magnetresonanz-Tomografie untersucht.
Das Ergebnis: Wie schon aus früheren Studien bekannt, veränderte sich während des Aufenthalts im Orbit die Hirnstruktur. Die graue Substanz schrumpfte, während die flüssigkeitsgefüllten Räume im Gehirn an Volumen gewannen. Die weiße Substanz – der Teil des Hirngewebes, der vor allem aus Nervenfasern besteht – schien jedoch unmittelbar nach der Landung kaum verändert, wie die Forscher berichten. Als Ursache dieser Veränderungen gelten die veränderten Druckverhältnisse im Körper während der Schwerelosigkeit.
Verzögerte Folgen für weiße Substanz
Das Überraschende aber waren die Langzeitfolgen: Sieben Monate nach Rückkehr auf die Erde hatte sich die graue Substanz im Gehirn der Kosmonauten zwar deutlich erholt. In einigen Arealen aber, darunter dem rechten Schläfenlappen, blieb das Volumen geringer als vor dem Weltraumaufenthalt, wie die Hirnscans enthüllten. Nicht normalisiert hatte sich dagegen die Hirnflüssigkeit: Ihr Volumen war weiter angestiegen, neben den Ventrikeln nahm nun vor allem die Flüssigkeit im Raum um das Gehirn herum zu.
Spätfolgen gab es auch bei der weißen Hirnsubstanz der Kosmonauten: Sie schrumpfte in den Monaten nach der Landung deutlich. „Gegenüber den Messungen unmittelbar nach dem Raumflug gab es bei der Langzeitkontrolle eine globale Reduktion der weißen Hirnsubstanz“, berichten Van Ombergen und ihre Kollegen.
Auswirkungen auf geistige Leistungen unklar
„Insgesamt deuten unsere Ergebnisse auf eine anhaltende Veränderung der Liquor-Zirkulation auch viele Monate nach einer Rückkehr zur Erde hin“, sagt Koautor Peter zu Eulenburg von der Universität München. „Ob die beobachteten großflächigen Veränderungen der grauen und weißen Substanz eine Relevanz für die Kognition der Kosmonauten haben, ist aktuell unklar.“ Um mögliche Risiken für Astronauten besser abschätzen zu können, seien hier weitere Studien dringend nötig.
Der Grudn ist naheliegend: Spätestens vor dem Start von bemannten Missionen zum Mond und Mars sollte geklärt sein, in welchem geistigen Zustand die Astronauten an ihrem Ziel ankommen würden. (The New England Journal of Medicine, 2018; doi: 10.1056/NEJMc1809011)
(Ludwig-Maximilians-Universität München, 25.10.2018 – NPO)