Potenzieller Hanfersatz: In manchen Lebermoosen steckt ein Cannabinoid, das dem in Cannabis enthaltenen Rauschmittel THC strukturell sehr ähnlich ist. Forscher haben nun herausgefunden, dass es tatsächlich auch ähnlich wirkt. Demnach kann der Moos-Inhaltsstoff problemlos die Blut-Hirn-Schranke passieren und dort bestimmte Rezeptoren aktivieren. Damit könnte er sich durchaus als Medikament eignen, wie das Team im Fachmagazin „Science Advances“ berichtet.
Cannabis ist als berauschende Droge bekannt, macht sich zunehmend aber auch als Medikament einen Namen. Denn die Hanfpflanze hat zahlreiche positive Eigenschaften, von denen vor allem schwer kranke Menschen profitieren können: Die in ihr enthaltenen Cannabinoide lindern Schmerzen, lösen Krämpfe und mildern die bei der Krebstherapie häufige Übelkeit, wie Studien belegen. Vor allem dem Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD), aber auch dem für die Rauschwirkung verantwortlichen Tetrahydrocannabinol (THC) werden diese Wirkungen zugeschrieben.
Lange Zeit dachten Wissenschaftler, THC werde nur von Cannabis produziert – bis sie 1994 einen ganz ähnlichen Stoff in einem unscheinbaren Lebermoos entdeckten. Die unter anderem in Japan verbreitete Pflanze Radula perrottetii sowie einige verwandte Arten enthalten das sogenannte Perrottetinen. Dieses natürliche Cannabinoid hat eine vergleichbare Struktur wie die bekannte psychoaktive Substanz, wenngleich es auch einige strukturelle Unterschiede aufweist. So besitzt der Stoff unter anderem eine zusätzliche Benzylgruppe.
Drogen auf Moosbasis
Die Wirkung dieses THC-Verwandten erfreut sich in jüngster Zeit offenbar zunehmender Beliebtheit. So entdeckten Andrea Chicca von der Universität Bern und seine Kollegen vor einigen Jahren, dass Lebermoose im Internet als „Legal Highs“ angepriesen werden. Das Problem: Wie genau das Perrottetinen auf molekularer Ebene wirkt, ist bisher noch kaum erforscht. Um mehr über die möglichen Gefahren des Mooskonsums, aber auch seinen potenziellen therapeutischen Nutzen zu erfahren, haben die Wissenschaftler die Substanz nun genauer unter die Lupe genommen.