Verlagerung nach Osten: Die berüchtigte Tornado-Alley in den USA verändert offenbar ihre Lage. Wie US-Forscher herausfanden, hat die Tornado-Häufigkeit in dieser Region in den letzten 40 Jahren deutlich abgenommen. Dafür jedoch wächst das Tornado-Risiko in weiter östlich liegenden Bundesstaaten. Ob hinter dieser Ostwärts-Wanderung der Klimawandel steckt, ist noch unklar. Die Wissenschaftler halten es aber für durchaus wahrscheinlich.
Die „Tornado-Alley“ zieht sich von Texas über den Mittleren Westen bis nach South Dakota im Norden. In der Hauptsaison von März bis Mai können in diesem Gebiet bis zu 800 Tornados auftreten. Der Grund: In diesem Gebiet trifft die feucht-heiße Luft aus dem Golf von Mexiko mit Kaltluft aus dem Norden aufeinander. An der Luftmassengrenze stürzt kalte Luft in einem Strudel hinunter, während an ihrem Rand warme Luft in die Höhe gesaugt wird – das Rezept für einen Tornado.
Enorme Schäden
Auch wenn Tornados oft als „kleine Brüder“ der Wirbelstürme gelten, sind die Schäden durch sie und die begleitenden Gewitterstürme, Hagel und Sturmwinde erheblich: „Jedes Jahr verursachen sie in den USA einen Schaden von durchschnittlich 5,4 Milliarden US-Dollar“, erklären Vittorio Gensini von der Northern Illinois University und sein Kollege Harold Brooks vom National Severe Storms Laboratory. „Auch Einzel-Ereignisse mit zehn Milliarden US-Dollar Schäden sind keine Seltenheit mehr.“
Entsprechend wichtig ist es, das regionale Risiko für Tornados genau zu kennen. Ob und wie sich die Tornado-Häufigkeit in den USA von 1979 bis 2017 verändert hat, haben die Forscher nun anhand von Tornadomeldungen, aber auch Wetterberichten aus dieser Zeit untersucht. „Besonders interessant sind dabei mögliche räumliche Verschiebungen des Tornado-Auftretens“, erläutern sie.
Verschiebung nach Osten
Und tatsächlich: Zwar ist die klassische Tornado-Alley nach wie vor die Region mit den meisten Tornados. Aber in den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Sturmhosen dort deutlich abgesunken, wie die Forscher berichten. Demnach gibt es in Texas, Oklahoma und dem Nordosten von Colorado heute weniger Tornados als noch vor rund 40 Jahren. „Sie sind zwar noch immer die Nummer 1 in puncto Tornado-Häufigkeit, aber der Trend zeigt abwärts“, so Gensini.
Mehr Tornados gibt es dagegen heute in der „Dixie-Alley“, einem östlich der Tornado-Alley liegenden Nord-Südstreifen der USA. Für die Bewohner von Mississippi, Alabama, Arkansas, Missouri, Illinois, Indiana, Tennessee und Kentucky ist das Risiko einer Tornado-Katastrophe damit deutlich gestiegen. „Diese Zunahme der Tornado-Häufigkeit trifft damit eine ohnehin schon besonders anfällige Bevölkerung“, sagen die Forscher.
Ist der Klimawandel schuld?
Nach Ansicht der Wissenschaftler zeigt sich hiermit eine Ostwärts-Verlagerung der Tornado-Häufigkeiten. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, ob dies auf natürliche Schwankungen zurückgeht oder auf den anthropogenen Klimawandel“, betonen Gensini und Brooks. „Klar scheint aber, dass wir hier das Signal einer Klimaveränderung haben.“ Diese Verschiebung passe zudem sehr gut zu der erst kürzlich festgestellten Ostverlagerung der nordamerikanischen Klimascheide.
Wie die Forscher erklären, gibt es aus Klimamodellen Hinweise darauf, dass Wetterextreme in Teilen des Mittleren Westen und Südosten der USA bis zum Ende dieses Jahrhunderts zunehmen werden. „Das könnte daraufhin deuten, dass die von uns ermittelten Trends auf anthropogene Einflüsse zurückgehen“, so die Wissenschaftler. In jedem Fall sei es nun wichtig, die neuen Erkenntnisse für die Katastrophenvorbeugung zu nutzen. Dies könnte beispielsweise in Form verschärfter Bauvorschriften in den inzwischen verstärkt betroffenen Regionen geschehen. (Climate and Atmospheric Science, 2018; doi: 10.1038/s41612-018-0048-2)
(Northern Illinois University, 19.10.2018 – NPO)