Handfeste Größe: Johann Sebastian Bach war nicht nur ein begnadeter Komponist, sondern auch ein virtuoser Musiker an Orgel und Cembalo. Das Geheimnis seiner Virtuosität könnte nun ein deutscher Forscher gelüftet haben: Eine Vermessung von Bachs Skelett enthüllt, dass er außergewöhnlich große Hände besaß. Dies könnte es ihm erleichtert haben, selbst große Tonabstände auf der Klaviatur zu greifen – und erklärt zeitgenössische Kommentare über seine „gigantische Faust“.
Johann Sebastian Bach war der herausragende Komponist der Barockzeit und nach Ansicht vieler einer der genialsten Komponisten überhaupt. Bis heute werden seine Werke gespielt und bewundert. Doch der 1685 in Eisenach geborene Kantor und Komponist galt zu seiner Zeit auch als virtuoser und ausdauernder Musiker. „Seine Faust war unermüdet und hielt tagelanges Orgelspiel aus“, schrieb der Organist Christian Friedrich Daniel Schubart damals bewundernd. „Seine Faust war gigantisch.“ Sogar eine Duodezim – den Abstand von zwölf weißen Tasten auf dem Klavier – soll Bach problemlos gegriffen haben.
Skelettfoto als Forschungsobjekt
Doch was ist dran an diesen zeitgenössischen Lobeshymnen? Und was hatte es mit Bachs Händen auf sich? Um das herauszufinden, hat der Medizintechniker Andreas Otte von der Hochschule Offenburg das Skelett des Komponisten nun noch einmal genauer analysiert. Zwar sind die echten Überreste von Bach nicht mehr verfügbar, aber es existiert eine Fotografie seines Skeletts aus dem Jahr 1894. Dieses Foto hat der Wissenschaftler nun – 333 Jahre nach dem Tod von Johann Sebastian Bach – vermessen und mit anthropometrischen Daten verglichen.
„Das Foto erlaubte uns direkte Messungen. Zum einen weil die Aufnahme glücklicherweise nicht verkippt war, die Perspektive also nicht verzerrt ist. Außerdem wurde damals ein Maßstab mit abgelichtet“, sagt Otte. Er ist zusätzlich historischen Hinweisen auf die herausragende Beweglichkeit, Stärke und Autonomie der einzelnen Finger von Bach nachgegangen.
Größe und Spanne überdurchschnittlich
Das Ergebnis: Obwohl Bach nur normalgroß war, besaß er tatsächlich ungewöhnlich große, kräftige Hände. Die skelettale Handlänge des Komponisten beträgt den Messungen zufolge 21,5 Zentimeter. „Bachs linke Hand hatte auch für heutige Verhältnisse eine außergewöhnliche Länge und Spanne und war gewiss begünstigend für seine Virtuosität“, berichtet Otte. Die rechte Hand war zwar nur unvollständig abgebildet. „Es ist aber davon auszugehen, dass sie ähnlich groß war wie die linke Hand“, erklärt der Forscher.
Bach besaß demnach auch eine sehr große Handspanne. Er konnte mit ausgestrecktem kleinem Finger und Daumen eine Strecke von rund 26 Zentimetern umfassen – locker ausreichend für eine Duodezime. „Das ist auch heute noch ungewöhnlich groß. Viele bekannte Pianisten der Gegenwart haben eine weitaus kleinere Handspanne als Bach“, so Otte. Dieses Ergebnis bestätigt auch, dass seine Zeitgenossen mit der „Gigantenfaust“ nicht übertrieben.
Natürlich sind solche anatomischen Merkmale keinesfalls die einzige Erklärung für die musikalische Virtuosität des großen Komponisten – das räumt auch Otte ein: „Ein profanes Herunterbrechen von Johann Sebastian Bachs Genie auf die Länge und Spanne seiner Hand wäre ja fast schon ein Sakrileg“, sagt er. „Aber unsere Untersuchung kann einen weiteren kleinen, jedoch womöglich sehr interessanten Baustein für die Bach-Forschung liefern.“
(Hochschule Offenburg, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien, 19.10.2018 – NPO)