Archäologie

Grab eines antiken „Vampirs“ entdeckt

Stein im Mund sollte totes Kind am Aufstehen als Untoter hindern

Ein Stein im Mund sollte dieses zehnjährige tote Kind am Auferstehen als Untoter hindern © David Pickel/ Stanford University

Stein gegen den Untoten: In Italien haben Archäologen das Grab eines römischen Kindes entdeckt, das man offenbar als Untoten oder Vampir fürchtete. Ein Stein im Mund sollte verhindern, dass der Tote sich aus dem Grab erhob und die Lebenden mit Malaria ansteckte – der Krankheit, an der das Kind gestorben war. In Nachbargräbern zeugen Rabenklauen, Krötenknochen und Bronzegefäße mit Asche von weiteren abergläubischen Praktiken gegen Untote und Vampire.

Zombies, Vampire und Untote sind keineswegs eine Erfindung der Neuzeit: Schon die Römer fürchteten, dass bestimmte Tote sich aus ihren Gräbern erhoben und dann Unheil unter den Lebenden anrichten könnten. „Wir wissen, dass die Römer sich davor fürchteten und sogar Hexenkraft nutzten, um das Böse, das den Körper der Gestorbenen kontaminierte, am Herauskommen zu hindern“, erklärt David Soren von der University of Arizona.

Eine Nekropole für tote Kinder

Einen Beleg für die römische Angst vor den Untoten haben Soren und sein Team nun in einem antiken Kinderfriedhof in Umbrien entdeckt. Die Nekropole wurde im fünften Jahrhundert angelegt, als eine verheerende Malaria-Epidemie zahlreiche Säuglinge und Kinder in der Region dahinraffte. Die Leichen der Toten wurden damals auf dem Gelände einer römischen Villa bestattet – ein Areal, das die Archäologen nun begonnen haben auszugraben.

Dabei stießen sie auf ein sehr ungewöhnliches Grab: Es bestand aus zwei großen Dachpfannen, die schräg an eine Wand gelehnt waren. „Angesichts der Tatsache, dass zwei Pfannen verwendet worden waren, habe ich schon etwas Besonderes erwartet, möglicherweise ein Baby-Doppelgrab“, berichtet Koautor David Pickel von der Stanford University. „Aber nachdem wir die Dachpfannen entfernt hatten, wurde uns klar, dass wir es hier mit einem älteren Toten zu tun haben.“

Skelett des zehnjährigen Kindes in der Nekropole von Lugnano © David Pickel/ Stanford University

Stein im Mund

Bei dem Toten handelte es sich um ein zehnjähriges Kind – und damit um den mit Abstand ältesten Leichnam in dieser Kinder-Nekropole. Denn wie die Forscher berichten, stammten alle bisher dort ausgegrabenen menschlichen Überreste von Säuglingen oder Kleinkindern. Der tote Zehnjährige lag auf der linken Seite und war offenbar ebenso wie die anderen Kinder an Malaria gestorben.

Das Entscheidende jedoch: Im offen stehenden Mund des Kindes entdeckten die Forscher einen großen runden Stein. Die Position des Kopfes und der Kiefer spricht dafür, dass dieser Stein bei der Bestattung des Toten absichtlich dort platziert worden war. „Ich habe noch nie so etwas gesehen, das ist extrem unheimlich und seltsam“, sagt Soren. „Dieses Kind ist eine echte Anomalie in diesem ohnehin schon ungewöhnlichen Kinderfriedhof.“

Mittel gegen die Untoten

Doch die Symbolik eines Steins im Mund eines Toten ist nicht neu. Dem antiken Glauben nach sollte dies verhindern, dass der Tote als Untoter oder Vampir sein Unwesen trieb. „Diese ungewöhnliche Bestattungspraxis sieht man in verschiedenen Kulturen, aber besonders in der römischen Welt“, erklärt Jordan Wilson von der University of Arizona. „Dies weist darauf hin, dass man Angst hatte, diese Person könnte von den Toten zurückkehren und Krankheit unter den Lebenden verbreiten.“

Im Falle des zehnjährigen Kindes fürchtete man offenbar, dass dieses als Untoter auferstehen und die Lebenden mit der damals grassierenden Malaria anstecken würde. „Sie nennen das Kind hier deswegen bereits den ‚Vampir von Lugnano'“, berichtet Pickel. Ähnliche Fälle von potenziellen „Untoten“ mit Steinen im Mund sind unter anderem aus dem Venedig des 16. Jahrhunderts bekannt und von einem 2017 in England entdeckten Toten aus dem vierten Jahrhundert, wie die Forscher berichten.

Rabenklauen und Krötenknochen

Auch in den Gräbern anderer Kinder in der antiken Nekropole haben die Archäologen Anzeichen für rituelle Maßnahmen gegen Untote und Vampire entdeckt. Sie fanden dort Rabenklauen, Krötenknochen, die Überreste von geopferten Hundewelpen und Bronzegefäße mit Asche. Ein dreijähriges Mädchen war mit Steinen auf ihren Händen und Füßen begraben worden – auch das eine typische Maßnahme, um die Toten in ihren Gräbern zu halten.

Nach Ansicht der Archäologen liefern diese Funde wertvolle Einblicke in den Glauben der antiken Welt. „Gräber sind bedeutsam, denn sie bieten uns ein Fenster in die vergangene Gedankenwelt“, sagt Wilson. „Wir können eine Menge über die Hoffnungen und den Glauben der Menschen erfahren, indem wir uns anschauen, wie sie ihre Toten behandelten.“

(University of Arizona, 15.10.2018 – NPO)

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