Überraschende Korrelation: Je größer die Familie eines Menschen ist, desto geringer ist sein Krebsrisiko. Diesen Zusammenhang haben Forscher nun anhand von Daten aus 178 Ländern aufgedeckt. Demnach wirken sich die durchschnittliche Zahl der Geburten pro Frau, aber auch die Haushaltsgröße auf die Häufigkeit von zahlreichen Krebsarten aus – von Hirntumoren bis zu Darmkrebs. Die Ursachen hinter diesem erstaunlichen Phänomen sind bislang noch unklar.
Nicht nur die genetische Veranlagung und das Alter spielen bei der Krebsentstehung eine entscheidende Rolle. Auch zahlreiche andere Faktoren beeinflussen das Risiko, eine Tumorerkrankung zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise das Rauchen, die Ernährungsweise und das Körpergewicht.
Eine weitere, bisher unbekannte und ziemlich überraschende Einflussgröße auf das Krebsrisiko haben nun Forscher um Frank Rühli von der Universität Zürich aufgedeckt: die Familiengröße. Für ihre Studie hatten der Mediziner und seine Kollegen Daten zur Häufigkeit bestimmter Krebserkrankungen aus 178 Ländern ausgewertet – von Hirntumoren, über Lungen-, Magen- und Darmkrebs bis hin zu Haut- und Brustkrebs.
Effekt bei Männern größer
Dabei zeigte sich: Je kleiner die Familien in den untersuchten Staaten waren, desto häufiger wurde dort Krebs diagnostiziert. Diese Korrelation war den Wissenschaftlern zufolge unabhängig von Faktoren wie der durchschnittlichen Lebenserwartung, dem Bruttoinlandsprodukt und dem Urbanisierungsgrad. Interessant auch: Betrachteten Rühli und sein Team die Zahl der Krebserkrankungen getrennt nach Geschlecht, zeigte sich der Effekt bei Männern etwas deutlicher als bei Frauen.
Eine große Familie scheint sich demnach positiv auf das individuelle Krebsrisiko auszuwirken – und damit ist nicht nur die Kernfamilie mit Eltern und Kindern gemeint. Denn neben der durchschnittlichen Zahl der Geburten pro Frau korrelierte auch die Haushaltsgröße mit der Zahl der Tumorerkrankungen. Das bedeutet: Leben beispielsweise die Großeltern, Onkel und Tanten oder gute Freunde mit im Haus, hat dies offenbar ebenfalls einen schützenden Effekt.
Erklärung gesucht
Die entscheidende Frage ist nun: Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Handelt es sich bloß um einen zufälligen Zusammenhang oder besteht hier eine Ursache-Wirkung-Beziehung? Bekannt war bereits, dass das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs bei Frauen von der Zahl der Schwangerschaften beeinflusst wird. Je häufiger eine Frau schwanger ist, desto geringer wird die Krebsgefahr – dafür sind wahrscheinlich biologische Veränderungen während der Schwangerschaft verantwortlich.
Dies erklärt aber nicht, warum nicht nur die Anzahl der eigenen Kinder entscheidend ist und warum Männer noch mehr von der Großfamilie profitieren als Frauen. Was also könnten weitere Ursachen sein? Möglicherweise das emotionale und soziale Umfeld, glauben die Forscher. So könnten sich Mitglieder aus Familien unter anderem gegenseitig in einem gesunden Lebensstil unterstützen, so ihre Vermutung.
Letztendlich bleiben die Gründe für den nun beobachteten Effekt erst einmal ungewiss. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es sich lohnt, den Zusammenhang zwischen der Familiengröße und dem Krebsrisiko bei Männern und Frauen in weiteren Studien genauer zu untersuchen“, schreibt das Team. Womöglich wird das Wirkprinzip hinter dem Schutzfaktor Familie dann klarer. (BMC Cancer, 2018; doi: 10.1186/s12885-018-4837-0)
(Universität Zürich, 11.10.2018 – DAL)