Landschaft im Umbruch: Geologen haben die Entstehungsgeschichte der berühmten High Plains am Fuß der Rocky Mountains entschlüsselt. Ihre Analysen zeigen, dass dieses für die US-Landwirtschaft besonders wichtige Gebiet vor rund 20 Millionen Jahren entstanden ist – und seine Geburt einem „Buckel“ im Erdmantel zu verdanken hat. Inzwischen streben die High Plains jedoch ihrem Untergang entgegen: Sie werden immer weiter abgetragen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Am Fuß der Rocky Mountains im Mittleren Westen der USA erstreckt sich eine einzigartige Landschaft: die High Plains. Auf diesen nur ganz sanft geneigten Ebenen liegen unzählige saisonale Seen, die mehrheitlich durch Regenwasser gespeist werden und in Dürreperioden austrocknen. Diese sogenannten Playas sind zum einen ein wichtiger Lebensraum für Millionen von Vögel. Zum anderen versorgen sie auch ein riesiges Grundwasservorkommen, den Ogallala-Aquifer – ein Reservoir, ohne das Landwirtschaft in dieser trockenen Region kaum möglich wäre.
Den Ursprüngen auf der Spur
Trotz ihrer großen Bedeutung haben sich Geologen bisher jedoch kaum mit den Ursprüngen dieser Landschaftsform beschäftigt. „Die Gegend ist für einen Alpengeologen zu flach und gilt als uninteressant“, sagt Sean Willet von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Er und seine Kollegen haben sich den High Plains nun trotzdem gewidmet – und ihre erstaunlich bewegte Vergangenheit aufgedeckt.
Anlass für die Studie war, dass den Wissenschaftlern die merkwürdigen Muster der Flüsse aufgefallen waren, die die weiten Ebenen durchziehen. Daraufhin schauten sie sich die Geometrie des Flussnetzwerks und die geologischen Besonderheiten in diesem Gebiet genauer an. Auf Grundlage dieser Daten entwickelten sie schließlich ein Modell zur Entstehungsgeschichte der High Plains.
Sedimentflut aus den Bergen
Ihre Ergebnisse zeigen, dass diese Landschaftsform vor 20 Millionen Jahren entstanden ist – vermutlich dank eines „Buckels“ im Erdmantel. Demnach bildete aufstoßendes Material im Erdinneren eine Erhebung, die sich im Laufe der Zeit von Westen nach Osten unter der Kontinentalplatte hindurch verschob. Zuerst hob dieser Buckel das Colorado-Plateau an, dann die Rocky Mountains, wie die Forscher berichten.
Dadurch stieg das Gefälle von den Bergen hin zu den Ebenen an und als Folge nahm die Erosion von Material zu. Über einen Zeitraum von 15 Millionen Jahren ergoss sich dem Modell zufolge eine massive Sedimentflut aus den Bergen. Flüsse transportierten dieses Material weg und lagerten es als sogenannte Schwemmfächer mit Ausmaßen von hunderten von Kilometern am Fuß der Berge ab.
Ein Grundwasserreservoir entsteht
Dabei wurden Flusstäler mit Kies und grobem Sand aufgefüllt, die ursprüngliche Landschaft vollständig mit feinem Material „gepflastert“ und so die modernen High Plains geformt. Auf den neuen, mit Sand, Schlamm und Lehm versiegelten Ebenen konnten sich schließlich die berühmten Playas bilden. Denn die Schwemmfächer wiesen nur ein geringes Gefälle auf, sodass Regenwasser in Senken lange stehen blieb.
Chemische Prozesse ließen die Böden der neu entstandenen Seen mit der Zeit verkalken. Wie die Wissenschaftler berichten, entstanden dabei bis zu zehn Meter dicke Kalkschichten. In diesen Schichten bildeten sich irgendwann Risse, durch die das Wasser versickern konnte. Dies war die Geburtsstunde des heute für die US-Landwirtschaft so wichtigen Ogallala-Aquifers – mit einer Fläche von mehr als 450.000 Quadratkilometern gehört er zu den größten Grundwasserleitern der Welt.
Flüsse treiben Wandel an
Anders als in ihrer bewegten Anfangszeit haben sich die High Plains in den vergangenen drei bis fünf Millionen Jahren geologisch gesehen kaum verändert. „Sie sind eine sehr alte Landschaft“, sagt Willett. Inzwischen aber kündigt sich erneut ein großer Wandel an – die High Plains befinden sich im Umbruch.
So lässt sich beobachten, dass sich die Flüsse aus den Rocky Mountains neue Wege suchen und sich an den Rändern der urzeitlichen Schwemmfächer immer tiefer in den Untergrund eingraben. Dadurch tragen sie die Schwemmfächer immer weiter ab, was den Forschern zufolge an den Klippen und den baumartigen Mustern zu erkennen ist, die die Bäche und Flüsse förmlich in die Landschaft fressen.
Das Ende steht bevor
Dieser Prozess schreite immer weiter fort und sei nicht aufzuhalten, sagt Willet: „Was wir heute sehen, ist ein Übergangszustand dieser Landschaft. In fünf bis zehn Millionen Jahren werden die High Plains restlos abgetragen sein.“ Diese Entwicklung könnte sich auch auf das Grundwasservorkommen auswirken, wie das Team betont. Eine unmittelbare Gefährdung des Reservoirs sehen sie zwar nicht. Dennoch müsse man sich klarmachen: Die Kräfte, die die High Plains zersetzen, bestimmen schon heute darüber, wo Grundwasser vorkommt und wo Landwirtschaft möglich ist. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0532-1)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 01.10.2018 – DAL)