Licht-Materie-Interaktion geknackt: Forscher haben erstmals gemessen, wie schnell ein Quantensprung abläuft – die Anregung und Emission eines Elektrons durch Licht. Dieser photoelektrische Effekt wurde schon von Albert Einstein beschrieben, galt aber immer als zu schnell, um messbar zu sein. Durch eine Kombination von Laserpulsen und „Uhrenatomen“ ist nun die absolute Messung dieser Photoemission und der Dauer des Quantensprungs gelungen, wie die Forscher in „Nature“ berichten.
Es ist eine fundamentale Wechselwirkung von Licht und Materie: Wenn energiereiches Licht auf ein Atom fällt, reagieren dessen Elektronen darauf und springen auf ein höheres Energieniveau – oder werden sogar ganz aus ihrem Orbit katapultiert. Schon Albert Einstein beschrieb im Jahr 1905 diesen photoelektrischen Effekt. Wie schnell dabei die Elektronen auf das einfallende Licht reagieren, war jedoch lange unbekannt – der Prozess galt als nahezu instantan, in jedem Falle aber als unmessbar schnell.
Wie schnell springt das Elektron?
Doch inzwischen sind Physiker dem photoelektrischen Effekt auf die Spur gekommen – dank neuer Technologien. 2016 wies ein Team mithilfe von Attosekunden-Laserpulsen nach, dass die Elektronen mit Verzögerung auf die Lichteinstrahlung reagieren. Wenig später gelang Forschern ein weiterer Durchbruch: Sie verglichen erstmals die Dauer verschieden großer Quantensprünge der Elektronen in einem Heliumatom. Demnach dauert es umso länger, je stärker das Elektron angeregt wird.
Das Problem: Bei all diesen Messungen konnten Physiker bisher nur Zeitdifferenzen messen. Für die absolute Dauer eines Quantensprungs jedoch fehlte bisher eine geeignete „Stoppuhr“. Diese haben nun Marcus Ossiander vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und seine Kollegen durch geschickte Kombination mehrerer Experimente und Atome gefunden – und erstmals erfolgreich für Messungen eingesetzt.
Wolfram, Iod und Helium
Die Forscher begannen ihren zweischrittigen Messprozess mit einer Wolfram-Oberfläche, auf die sie Iod-Atome aufgebracht hatten. Weil diese besonders schnell auf Lichteinfall reagieren, dienten sie als atomare „Stoppuhren“. Dann bestrahlten die Physiker die Oberfläche mit ultrakurzen Extrem-UV-Laserpulsen, die Elektronen erst aus den Iodatomen und dann aus dem Wolfram herauskatapultieren. Mithilfe eines infraroten Messlasers – einer sogenannter Attosekunden Streak-Kamera – konnten die Forscher die relative Dauer der Quantensprünge bei Iod und Wolfram vergleichen.
Im nächsten Schritt folgte die Eichung der „Stoppuhr“-Iodatome: Mit dem gleichen XUV-Laserpuls bestrahlten Ossiander und sein Team nun eine gasförmige Mischung aus Iodatomen und Heliumatomen. „Das Helium-Atom ist sehr einfach gebaut, daher kann man den zeitlichen Ablauf der Photoemission bei Helium-Atomen exakt berechnen“, erklärt Koautor Christoph Lemell von der TU Wien. „Für kompliziertere Objekte, etwa Metalloberflächen, wäre das selbst mit den besten Supercomputern der Welt nicht möglich.“
Quantensprung in Attosekunden
Durch Kombination dieser Schritte gelang es den Forschern, ihre zuvor nur relativen Messungen des photoelektrischen Effekts von Iod und Wolfram zu eichen: „Wir haben über die Emissions-Verzögerungen unserer Uhrenatome ein absolutes Timing dieser Quantensprünge erzielt“, konstatieren Ossiander und seine Kollegen. „Durch diese absolute Zeitreferenz können wir nun genau bestimmen, mit welcher Verzögerung die Elektronen der Wolframkerne aus der Oberfläche austreten.“
Das Ergebnis: Je nach Anfangszustand der Elektronen benötigen sie für ihren Quantensprung zwischen 45 und 100 Attosekunden. Elektronen aus den inneren Schalen des Wolframatoms brauchen dabei länger als die Außenelektronen, aber auch die Position des Wolframatoms im Kristall spielt eine Rolle: Je näher das Atom und damit seine Elektronen an der Oberfläche sind, desto schneller treten sie aus.
Weg zu neuer Technologie
Durch dieses Experiment haben die Forscher nicht nur erstmals die Dauer des photoelektrischen Effekts bei einer Materialoberfläche gemessen, ihre absoluten Daten und Uhrenatome liefern auch eine Referenz für Messungen dieses Effekts bei anderen Atomen und Materialien. „Unsere Daten bilden einen Startpunkt für die weitere Erkundung der Anregung und der Ladungsmigration in technisch und biologisch relevanten Systemen“, konstatieren Ossiander und sein Team.
Praktische Anwendungen für die neuen Erkenntnisse gibt es reichlich. Denn der photoelektrische Effekt spielt in vielen Bereichen eine wichtige Rolle – von Halbleitern in Dioden oder Solarzellen über die optische Datenübertragung bis hin zu Supraleitern. „Ossiander und seine Kollegen haben daher mit ihren neuen Einblicken in die Dynamik der Photoemission nicht nur unser Verständnis der Natur vorangebracht, sondern auch Wege zu neuer Technologie eröffnet“, schreibt Thomas Fennell von der Universität Rostock in einem begleitenden Kommentar. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0503-6)
(Technische Universität Wien, 24.09.2018 – NPO)