Medizin

Narkolepsie: Rätsel der Schlafkrankheit gelöst

Autoreaktive T-Zellen greifen Neuronen im Hypothalamus an

Was steckt hinter der rätselhaften Krankheit Narkolepsie? Forscher haben nun eine Antwort darauf gefunden. © Tanja Läser/ Insel Gruppe AG

Krankhafte Schlafattacken: Forscher haben die Verursacher der Schlafkrankheit Narkolepsie entlarvt. Ihre Studie zeigt, dass im Körper von Patienten bestimmte autoreaktive Immunzellen vorkommen. Diese T-Lymphozyten reagieren gegen für das Schlaf-Wach-Verhalten wichtige Neuronen im Gehirn und zerstören sie. Da die Übeltäter nun bekannt sind, könnten sich künftig neue Ansätze für Diagnose und Therapie ergeben, so die Hoffnung.

Patienten mit Narkolepsie leiden an einem ausgesprochenen Schlafzwang und übermäßiger Schläfrigkeit am Tage. Betroffene schlafen regelmäßig plötzlich für wenige Sekunden bis Minuten ein. Neben diesen Schlafattacken kommt es zu sogenannten Kataplexien, wobei vorübergehend die Kontrolle über die Muskeln verloren geht. Die Patienten fallen dann förmlich in sich zusammen, sind aber wach.

Hinter dieser extrem seltenen Schlafkrankheit steckt ein gradueller Verlust von Neuronen im Hypothalamus, die das Protein Hypokretin produzieren – eine Substanz, die unter anderem das Schlaf-Wach-Verhalten reguliert. Forscher gehen inzwischen davon aus, dass es sich bei dem Leiden um eine genetisch mitbedingte Autoimmunerkrankung handelt, die durch äußere Einflüsse wie virale Infektionen ausgelöst werden kann. Welche Mechanismen der Krankheit genau zugrunde liegen, ist nach wie vor unklar.

Folgenschwere Immunantwort

Daniela Latorre von der Universität der italienischen Schweiz in Bellinzona und ihre Kollegen haben nun jedoch einen entscheidenden Hinweis entdeckt. Um der rätselhaften Narkolepsie auf die Schliche zu kommen, untersuchten sie die Immunzellen von 19 Patienten. Dabei stellten sie fest: Alle Probanden hatten autoreaktive T-Lymphozyten des Typs CD4 in ihrem Körper – bei einigen fanden sich im Blut und im Nervenwasser darüber hinaus autoreaktive Zellen des Typs CD8.

Diese Zellen reagieren gegen Hypokretin sowie ein anderes Protein, das in den Hypokretin-produzierenden Neuronen vorkommt, und lösen eine entsprechende Immunantwort aus. Als Folge kann es zu Entzündungen bis hin zur vollständigen Zerstörung der für das Schlaf-Wach-Verhalten wichtigen Neuronen im Gehirn kommen. Bei gesunden Kontrollpersonen fanden die Wissenschaftler diese speziellen Immunzellen nicht.

„Verlust begrenzen“

Die Ergebnisse bestätigen dem Team zufolge den Verdacht, dass es sich bei der Narkolepsie um eine Autoimmunerkrankung handelt. Da der Übeltäter nun bekannt ist, ergeben sich zudem neue Möglichkeiten für Diagnose und Therapie: „Wenn wir autoreaktive T-Zellen in frühen Stadien blockieren, können wir möglicherweise den Verlust von Neuronen begrenzen und das Fortschreiten der Krankheit verhindern“, konstatiert Latorres‘ Kollegin Federica Sallusto.

Darüber hinaus erhoffen sich die Forscher auch einen gesellschaftlichen Nutzen: „Die Studie wird das Bewusstsein für Narkolepsie schärfen, die in der Allgemeinbevölkerung wenig bekannt ist und von Ärzten oft nicht oder zu spät diagnostiziert wird“, schließt Mitautor Claudio Bassetti vom Universitätsspital Bern. Schätzungen zufolge betrifft die Schlafkrankheit etwa 0,05 Prozent der Bevölkerung. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0540-1)

(Universitätsspital Bern, 21.09.2018 – DAL)

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