Vergreist oder jung geblieben? Forscher haben eine Europakarte erstellt, die die Altersverteilung der Bevölkerung auf einen Blick erkennen lässt. Ihre Auswertung demografischer Daten zeigt, wo unser Kontinent besonders alt aussieht und wo noch verhältnismäßig viele junge Menschen leben. Dabei offenbaren sich nicht nur deutliche Unterschiede zwischen dem Westen und dem Osten Europas – sondern auch regionale Differenzen innerhalb einzelner Länder.
Der demografische Wandel ist in Europa so weit fortgeschritten wie auf keinem anderen Kontinent der Erde. Wir Europäer haben weltweit die niedrigsten Geburtenraten und leben am längsten. Nach Daten der Vereinten Nationen ist die Hälfte unserer Bevölkerung schon jetzt 43 Jahre oder älter. Allerdings zeigt sich diese Vergreisung nicht in allen Ländern gleichermaßen. Wie also sieht es in den einzelnen Regionen Europas aus?
Dieser Frage sind nun Wissenschaftler um Ilya Kashnitsky vom demografischen Forschungsinstitut NIDI in Den Haag nachgegangen. Das Team wertete Daten des Statistischen Amts der Europäischen Union aus und erstellte auf Grundlage dieser Informationen eine Alterskarte für Europa: Wo ist unser Kontinent vergleichsweise jung und wo besonders alt? Dank eines differenzierten Farbschemas lässt sich dies nun auf einen Blick erkennen.
Süden und Westen sehen alt aus
Die Ergebnisse zeigen, dass unter anderem der Süden Europas bereits ziemlich alt aussieht. So liegt die durchschnittliche Zahl der Geburten pro Frau in Spanien, Portugal und Italien beispielsweise bei rund 1,3. Damit die Bevölkerung konstant bliebe, müssten rein rechnerisch 2,1 Kinder pro Frau geboren werden.
Auch Westeuropa altert schnell: Wie die Daten offenbaren, machen ältere Menschen etwa in Frankreich und auch in Deutschland einen großen Teil der Bevölkerung aus. Eine auffällige Ausnahme im Westen bildet Irland. Zwar gehen in dem Inselstaat die Geburtenraten ebenfalls zurück. Mit 1,81 Kindern pro Frau liegen die Iren aber weit über dem europäischen Durchschnitt und sind daher noch vergleichsweise jung. Dies liegt den Forschern zufolge auch am Einfluss der katholischen Kirche, die Abtreibungen konsequent ablehnt.
Ebenfalls verhältnismäßig jung ist die Bevölkerung in vielen osteuropäischen Ländern. So leben zum Beispiel in Polen und der Slowakei viele Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren.
Regionale Unterschiede
Doch die Alterskarte macht nicht nur die Differenzen zwischen den Staaten deutlich. Auch innerhalb einzelner Länder lassen sich Altersunterschiede entdecken – zum Beispiel in Belgien. „Schaut man sich die Karte genauer an, ist klar die Grenze zwischen Flandern im Norden und Wallonien im Süden zu erkennen“, sagt Kashnitsky. Demnach ist die Bevölkerung in der Wallonischen Region jünger, während Flandern näher am europäischen Durchschnitt liegt.
Ein weiterer demografisch auffälliger Fleck auf der Landkarte liegt in Finnland: Er sticht innerhalb des Landes als einzige rosa eingefärbte Region hervor, was bedeutet, dass die Bevölkerung dort deutlich jünger ist als der europäische Durchschnitt. Was steckt dahinter? In diesem Teil des Landes leben den Forschern zufolge sogenannte Laestadianer – diese extrem konservativen Lutheraner werden manchmal als die europäischen Amischen bezeichnet und bekommen traditionell viele Kinder.
Stadt vs. Land
In Spanien werden Altersunterschiede vor allem zwischen den Küstenregionen und dem Inneren des Landes deutlich. So leben an der Küste deutlich mehr Menschen im mittleren Alter. Dies liegt daran, dass Spanien in den 2000er Jahren eine große Einwanderungswelle erlebt hat, wie die Wissenschaftler berichten.
Darüber hinaus lassen sich aus der Alterskarte aber auch ganz grundsätzliche Trends ablesen: Fast überall in Europa unterscheidet sich die Bevölkerungsstruktur in den Städten beispielsweise von der auf dem Land. Hauptstädte und andere urbane Zentren haben schon immer Menschen im arbeitsfähigen Alter angezogen – das zeigt sich auch auf der Karte.
„Stark urbanisierte Gegenden sind insbesondere für junge Berufstätige attraktiv. Familien mit kleinen Kindern zieht es dagegen oft vom Stadtzentrum in die Vororte“, schreiben die Forscher. (Lancet, 2018; doi: 10.1016/S0140-6736(18)31194-2)
(National Research University Higher School of Economics, 20.09.2018 – DAL)