Astronomie

Gab es eine dritte Magellansche Wolke?

Verkehrtherum kreisende Sterne könnten aus "geschluckter" dritter Zwerggalaxie stammen

Die Große und die Kleine Magellansche Wolke sind unsere nächsten Nachbarn – doch einst könnte es noch eine dritte von ihnen gegeben haben. © Andrew Lockwood

Verschwundener Dritter: Die Magellanschen Wolken könnten einst Teil einer Dreiergruppe von Zwerggalaxien gewesen sein. Die dritte Galaxie jedoch kollidierte vor rund drei bis fünf Milliarden Jahren mit der Großen Magellanschen Wolke und wurde zerstört, wie Astronomen berichten. Indizien dafür liefern eine Gruppe verkehrtherum kreisender Sterne in der Großen Magellanschen Wolke und ein rätselhafter Ausbruch der Sternbildung etwa um die Zeit der postulierten Kollision.

Die Milchstraße und ihre Nachbarn haben eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Unsere Galaxie kollidierte vor rund zehn Milliarden Jahren mit einer Nachbargalaxie und auch die Andromedagalaxie erlebte eine dramatische Kollision, die eine dritte größere Galaxie in unserer lokalen Gruppe zerstörte. Auch unsere nächsten Nachbarn, die Großen und Kleine Magellanschen Wolke, zeugen von Gas- und Sternendiebstählen und intensiven galaktischen Wechselwirkungen.

Sterne kreisen verkehrtherum

Doch ein Merkmal der Großen Magellanschen Wolke gibt Astronomen schon seit Jahren Rätsel auf: Während die meisten Sterne in dieser rund 160.000 Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie im Uhrzeigersinn kreisen, gilt dies nicht für alle: Rund fünf Prozent der Sternenpopulation kreisen in Gegenrichtung – sehr ungewöhnlich für eine Galaxie. „Bisherige Modelle konnten nicht erklären, wie eine solche Population entstanden sein könnte“, sagen Benjamin Armstrong und Kenji Bekki von der University of Western Australia.

Meist deuten solche abweichenden Bewegungsmuster auf eine „fremde“ Herkunft solcher Sterne hin. Deshalb dachte man bisher, dass die Große Magellansche Wolke diese Sterne von ihrer kleineren Nachbarin gestohlen hat. Doch die Kleine Magellansche Wolke hätte dadurch fast die Hälfte ihrer Sterne verlieren müssen – eher unrealistisch, so die Forscher.

In dieser Kompositaufnahme der Großen Magellanschen Wolke erscheint das Licht sehr alter Sterne bläulich, weitere alte Sterne sind als rötliche Punkte sichtbar. Heiße, massereiche Sterne innerhalb von Staubwolken leuchten dagegen weißlich-gelb. © NASA/JPL-Caltech/M. Meixner (STScI) & the SAGE Legacy Team

Rätselhafte Alterslücke

Seltsam auch: Die Sternenhaufen in der Großen Magellanschen Wolke sind entweder sehr alt oder relativ jung – dazwischen aber klafft eine zeitliche Lücke. „Die Sternbildung in dieser Galaxie hatte eine lange Ruhephase, die vor rund 13 Milliarden Jahren begann“, berichten die Astronomen. „Erst vor etwa fünf Milliarden Jahren setzte die Sternbildung wieder ein.“ Auch dieses Merkmal ließ sich bisher nur schwer erklären.

Doch es gibt ein Szenario, das gleich beide Eigenheiten der Großen Magellanschen Wolke erklären könnte, wie die Forscher berichten. „Unsere Idee war, dass die retrograden Sterne von einer vergangenen Verschmelzung mit einer anderen Galaxie stammen könnten“, sagt Armstrong. „Das könnte bedeuten, dass die Magellanschen Wolken ursprünglich zu einem Dreifach-System von Zwerggalaxien gehörten.“

Diese Hypothese haben er und sein Kollege nun anhand der Galaxienmerkmale und einer astrophysikalischen Simulation überprüft. Sie testeten dabei, ob eine solche Kollision die Zahl und Bewegung der retrograden Sterne hervorbringen kann.

Ablauf der Kollision von Großer Magellanscher Wolke (blau) und der kleineren Begleitgalaxie. © Ben Armstrong, ICRAR/UWA

Kollision als Erklärung

Und tatsächlich: Eine Kollision der Großen Magellanschen Wolke mit einer deutlich kleineren Nachbargalaxie würde genau die Spuren hinterlassen, die Astronomen heute beobachten. Die Kollision beider Galaxien hätte dabei die kleinere Zwerggalaxie zerrissen und vollständig zerstört. Ihre Sterne jedoch drifteten durch die Große Magellansche Wolke. Dabei entstand eine Population „falsch herum“ kreisender Sterne, die über fast die gesamte Galaxie verteilt waren. „Das ist das, was wir bei der Beobachtung dieser Galaxie sehen“, sagt Armstrong.

Die Kollision könnte auch erklären, warum die Sternbildung in der Großen Magellanschen Wolke erst stagnierte, dann aber doch wieder einsetzte: Die Turbulenzen bei der Verschmelzung der beiden Galaxien führten zu einem explosiven Neustart der Sternbildung, wie die Astronomen erklären. Das deutet darauf hin, dass diese Kollision vor drei bis fünf Milliarden Jahren stattgefunden hat.

Stellares Erbe

„Wir glauben daher, dass die Magellanschen Wolken einst ein Drillings-System waren, zu der die heute verschwundene Begleitgalaxie gehörte“, sagen Armstrong und Bekki. Die dritte Galaxie war vermutlich eher klein und metallarm, aber gasreich. Während dieser Dritte im „Magellanschen Bund“ heute längst verschwunden ist, trägt die Große Magellansche Wolke noch einige Spuren seiner Existenz.

Neben den retrograd kreisenden Sternen könnte die relativ dicke galaktische Scheibe unserer Nachbargalaxie ein weiteres Erbe dieser Verschmelzung sein, wie die Forscher erklären. Auch chemische Spuren der Verschmelzung könnten in der Großen Magellanschen Wolke noch nachweisbar sein. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters, 2018; doi: 10.1093/mnrasl/sly143)

(International Centre for Radio Astronomy Research, 20.09.2018 – NPO)

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