Medizin

Hilfe gegen krankhaften Hunger?

Wirkstoff könnte Übergewichtigen zu einem normalen Sättigungsgefühl verhelfen

Nonstop Hunger: Viele übergewichtige Menschen könnten ständig essen. © Skynesher/ iStock.com

Ständiger Appetit adé: Ein aus der chinesischen Medizin bekannter Wirkstoff könnte dicken Menschen beim Abnehmen helfen. Das legt nun zumindest eine Studie mit Mäusen nahe. Demnach führte die Gabe der Substanz Celastrol bei den Nagern zu einem deutlich veränderten Essverhalten – sie fraßen weniger und verloren an Gewicht. Offenbar verbessert das Mittel die Wirkung des Sättigungshormons Leptin, die bei Übergewichtigen häufig gestört ist.

Starkes Übergewicht ist weltweit ein zunehmendes Problem: Die Zahl der Dicken und Fettleibigen erreicht immer wieder neue Rekordwerte. Schätzungsweise ein Drittel aller Menschen ist inzwischen von Übergewicht betroffen – und damit von einem erhöhten Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und viele weitere Leiden.

Um auf Dauer gesund zu bleiben, müssten viele Menschen daher dringend abspecken. Doch das ist leichter gesagt als getan. Nicht nur der innere Schweinehund, auch ein permanentes Hungergefühl macht vielen Übergewichtigen das Abnehmen schwer. Denn bei ihnen ist häufig die Wirkung des Sättigungshormons Leptin gestört – sie nehmen kein normales Sättigungsgefühl mehr wahr.

Zehn Prozent Gewichtsverlust

Forscher suchen aus diesem Grund schon länger nach Möglichkeiten, den Appetit von dicken Menschen medikamentös zu zügeln. Katrin Pfuhlmann vom Helmholtz Zentrum München und ihre Kollegen haben sich in diesem Zusammenhang nun dem Wirkstoff Celastrol gewidmet. Diese Substanz aus den Wurzeln der in Ostasien heimischen Kletterpflanze Tripterygium wilfordii wird in der chinesischen Medizin seit jeher gegen diverse Leiden eingesetzt – und soll auch gegen Übergewicht helfen.

Für ihre Studie verabreichten die Forscher den Wirkstoff fettleibigen und zuckerkranken Mäusen. Dabei zeigte sich, dass die Tiere ihr Essverhalten änderten: „Die Gabe von Celastrol führte im Mausmodell zu einer deutlich geringeren Nahrungsaufnahme“, berichtet Pfuhlmanns Kollege Paul Pfluger. „Entsprechend konnten wir binnen einer Woche einen durchschnittlichen Verlust von rund zehn Prozent Körpergewicht feststellen.“ Auch der Diabetes der Nager verbesserte sich demnach.

Dank Celastrol reagierten Neuronen im Hypothalamus teilweise wieder auf Signale des Sättigungshormons Leptin (rot). © Helmholtz Zentrum München

Leptin wirkt wieder

Doch wie kam es zu diesem Effekt? Weitere Untersuchungen offenbarten: Celastrol scheint auf das Sättigungszentrum im Gehirn zu wirken. „Der Wirkstoff reaktiviert die körpereigenen Mechanismen zur Gewichtssteuerung, die bei Fettleibigkeit sonst aussetzen“, erklärt Pfuhlmann. „Celastrol stellt die Leptin-Sensitivität und damit die Sättigung wieder her.“

Dass die beobachtete Gewichtsabnahme tatsächlich auf einer verbesserten Wirkung des Botenstoffs Leptin beruhte, bestätigte ein weiteres Experiment: Mäuse, denen der Rezeptor für das Sättigungshormon vollständig fehlte, sprachen auf die Behandlung mit Celastrol nicht an, wie die Wissenschaftler berichten.

Auf den Menschen übertragbar?

Inwiefern sich diese Befunde auf den Menschen übertragen lassen, ist bisher noch unklar. Die Forscher sind aber zuversichtlich: „Leptin wirkt bei Mensch und Maus nahezu identisch. Celastrol hat also großes Potential“, konstatiert Pfuhlmann.

Zwar werde Celastrol nicht die zum Abnehmen notwendige Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und Lebensumstände ersetzen, aber die Patienten bei ihren Bemühungen unterstützen können. „Derzeit laufen in den USA bereits klinische Studien dazu, auf erste Daten daraus sind wir sehr gespannt“, schließt Pfluger. (Diabetes, 2018; doi: 10.2337/db18-0146)

(Helmholtz Zentrum München, 04.09.2018 – DAL)

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