Von wegen harmlos: Das gängige Konservierungsmittel Natriumbenzoat (E211) hat doch eine biologische Wirkung. Schon geringe Dosen dieses Lebensmittel-Zusatzstoffs führen zur drastischen Zunahme bestimmter Anlagerungen am Erbgut, wie eine Studie an Zellkulturen enthüllt. Diese epigenetischen Anlagerungen beeinflussen die Genaktivität und möglicherweise auch wichtige Stoffwechselwege, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Ob unsere Gene abgelesen werden und wie stark, ist für unsere Gesundheit und unseren Stoffwechsel fundamental. Entscheidend dafür ist aber nicht nur der DNA-Code selbst, sondern auch das Epigenom – Anlagerungen an der DNA und den Chromosomen, die Genabschnitte entweder für die Transkription freigeben oder aber blockieren können. Im Gegensatz zu den Genen sind diese Anlagerungen durch Umwelteinflüsse veränderbar – beispielsweise durch unsere Ernährung, Übergewicht oder Umweltchemikalien.
Fast überall enthalten: Natriumbenzoat
Jetzt haben He Huang von der University of Chicago und seine Kollegen einen weiteren Einflussfaktor für unser Epigenom identifiziert: das Natriumbenzoat. Das Brisante daran: Diese Chemikalie ist als E211 ein gängiges Konservierungsmittel, das zur Haltbarmachung vieler Lebensmittel und Kosmetika eingesetzt wird. „Natriumbenzoat ist eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Konservierungsmittel, das bis zu einer Konzentration von 0,1 Prozent in Nahrungsmitteln verwendet werden darf“, so die Forscher.
Entdeckt haben sie die epigenetische Wirkung des Natriumbenzoats, als sie im Erbgut von Säugetier-Zellen nach noch unbekannten Anlagerungen an den Histonen suchten – den Hüllproteinen, um die sich die DNA zu Chromosomen windet. Dabei stießen Huang und seine Kollegen auf einen neuartigen Histonmarker, die Lysin-Benzoylation (Kbz). Diese Anlagerung besteht aus einer ringförmigen Kohlenwasserstoffverbindung, der Benzoylgruppe.
Konservierungsmittel-Gabe verändert Epigenom
Das Interessante aber: Die Vorläufersubstanz für diese epigenetische Anlagerung ist ein Molekül, das im Körper unter anderen aus Natriumbenzoat gebildet wird. Um zu testen, ob es hier einen Zusammenhang gab, setzten die Forscher zwei verschiedenen Zelllinien geringe Mengen Natriumbenzoat zu und analysierten vorher und nachher deren Epigenom.
Und tatsächlich: „Wir beobachteten eine dosisabhängigen Zunahme der Histon- Kbz-Anlagerungen in beiden Zelltypen“, berichten Huang und seine Kollegen. „Bereits eine Zugabe von fünf Millimol, das ist eine Konzentration unterhalb der maximal erlaubten Menge in Lebensmitteln, erhöhte diese Histonanlagerungen dramatisch.“ Teilweise stieg die Anzahl der epigenetischen Anlagerungen um das 50-fache.
Wirkung auf mehrere Stoffwechselwege
Das belegt, dass das Konservierungsmittel Natriumbenzoat eine messbare und durchaus starke Wirkung auf das Epigenom besitzt – zumindest in Zellkulturen. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob diese epigenetischen Veränderungen auch eine physiologische Wirkung haben. Um das herauszufinden, untersuchten die Forscher, an welchen Genen sich der Histon- Kbz-Marker anlagerte und wie dies die Genaktivität beeinflusste.
Das Ergebnis: Die vom Konservierungsstoff beeinflusste Anlagerung betrifft tausende Gene in den Zellen, wie die Forscher berichten. Dabei blockiert sie besonders oft DNA-Bereiche, die Ansatzstellen für den Start der Transkription bilden – das Ablesen von Genen, wie die Forscher berichten. Weitere Analysen ergaben, dass durch den epigenetischen Histonmarker die Genaktivität in mehreren wichtigen Stoffwechselwegen, darunter auch dem Zucker- und Insulinstoffwechsel verändert wurde.
„Zusammengenommen bestätigen diese Daten die Korrelation zwischen Histon-Kbz und der Genexpression“, konstatieren Huang und seine Kollegen. „Das unterstreicht eine potenziell physiologische Bedeutung dieser Anlagerung.“
Doch nicht harmlos?
Das aber bedeutet: Das vermeintlich harmlose Konservierungsmittel Natriumbenzoat könnte auch in unseren Zellen Veränderungen des Epigenoms und der Genaktivität verursachen – und dies schon in relativ geringen Dosen. „Bisher wird Natriumbenzoat unter den allgemein als sicher geltenden Verbindungen gelistet, aber einige Studien haben bereits darauf hingedeutet, dass die Belastung mit diesem Konservierungsmittel für Verbraucher schädlich sein kann“, sagen die Forscher. Bisher allerdings war unklar, wie Natriumbenzoat auf den Körper wirken könnte, weil man keine biologischen Mechanismen dafür kannte.
„Unsere Studie deckt nun einen epigenetischen Mechanismus auf, der von diesem Lebensmittel-Zusatzstoff verursacht wird und der physiologisch wirksame Veränderungen bewirken könnte“, konstatieren Huang und seine Kollegen. Ob diese Wirkung auch eintritt, wenn ein Tier oder Mensch dieses Konservierungsmittel einnimmt, müsse nun dringend näher untersucht werden. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-05567-w)
(Nature, 29.08.2018 – NPO)