Einfach umgewandelt: Blut der Gruppe Null gilt als universelles Spenderblut, doch es ist knapp. Jetzt haben Forscher ein Enzym entdeckt, das Blut anderer Blutgruppen in die Blutgruppe Null umwandelt – indem es einfach deren Antigene abschneidet. Ungewöhnlich daran: Gefunden haben sie das Enzym in unserem eigenen Darm. Dort dient es Darmbakterien dazu, Zucker in der Darmwand zu zerlegen.
Die Blutgruppe bestimmt, ob bei einer Bluttransfusion das Blut von Spender und Empfänger zusammenpassen – sonst werden die fremden Blutzellen vom Immunsystem zerstört. Entscheidend dafür sind Moleküle, die auf der Oberfläche der Roten Blutkörperchen sitzen. Die bekanntesten dieser Blutfaktoren sind der Rhesusfaktor und das AB0-System.
Umwandeln statt auf Spender warten?
Bei diesem jedoch gibt es eine Besonderheit: Weil Blutzellen der Gruppe 0 keine Antigene auf ihrer Oberfläche tragen, gilt dieses But als universelles Spenderblut. Es wird daher gerade bei schweren Notfällen und Katastropheneinsätzen besonders dringend benötigt. Doch meist sind ausgerechnet diese Blutkonserven knapp.
Eine Lösung für dieses Problem könnten nun Stephen Withers von der University of British Columbia und seine Kollegen gefunden haben. Ihre Idee: Sie suchten nach einem Enzym, das die Antigene Blutgruppen A und B von den Roten Blutkörperchen entfernt. „Wenn man diese Antigene entfernt, die nur aus einfachen Zuckern bestehen, dann kann man Blut der Gruppe A oder B in die Blutgruppe Null umwandeln“, erklärt Withers.
Fahndung bei Blutegeln, Mücken – und im menschlichen Darm
Auf der Suche nach passenden Enzymen wandten sich die Forscher zunächst naheliegenden Organismen zu: Stechmücken und Blutegeln. Weil diese Blutsauger in ihrem Darm große Mengen an Blut verarbeiten, könnten sie die passenden „Zuckerscheren“ besitzen. Doch das war nicht der Fall. Deshalb setzen Withers und sein Team ihre Suche an einem auf den ersten Blick ungewöhnlichen Ort fort: unserem Darm.
Der Gedanke dahinter: Die Schleimschicht unserer Darmwand enthält zahlreiche Glykoproteine, sogenannte Mucine. Unter diesen Proteinen mit Zuckeranlagerungen sind einige, die chemisch den Blutantigenen A und B entsprechen. Weil sich viele Bakterien im Darm an diese Zuckermoleküle anlagern und sie als Nahrung fressen können, müssten sie auch entsprechende Enzyme besitzen. Um diese Bakterien und ihre Enzyme aufzuspüren, fahndeten Withers und seine Kollegen in Proben aus dem Darm nach der DNA passender Verbindungen.
Darmbakterium liefert Enzym
Und tatsächlich: Bei einem Darmbakterium wurden die Forscher fündig. Es erzeugt eine Familie von Enzymen, die gezielt die Antigene A und B abtrennen können, wie Tests mit menschlichem But belegten. Nach Angaben der Wissenschaftler sind sie dabei 30-mal effektiver als alle bisher bekannten Enzyme dieser Art. Theoretisch könnte man diese Enzyme daher einsetzen, um Spenderblut der Gruppen A und B nachträglich in die Blutgruppe Null umzuwandeln.
„Ich bin sehr optimistisch, dass wir hier einen vielversprechenden Kandidaten haben, mit dem wir Spenderblut anpassen könnten“, sagt Withers. „Aber natürlich müssen nun noch viele klinische Tests folgen, um sicherzugehen, dass diese Methode keine schädlichen Nebenwirkungen hat. Aber es sieht sehr vielversprechend aus.“ (256th National Meeting & Exposition of the American Chemical Society, 2018)
(American Chemical Society, 23.08.2018 – NPO)