Quantenphänomen enträtselt: Forschern ist es gelungen, Quantenfluktuationen direkt sichtbar zu machen – eine fundamentale Eigenheit des Vakuums, aber auch von Quantensystemen bei Phasenübergängen. In ihrem Experiment kartierten sie mithilfe eines Spezialgeräts die zufällig auftauchenden und wieder verschwindenden Blasen veränderter Leitfähigkeit in einem tiefgekühlten Supraleiter. Die neuen Erkenntnisse könnten auch bei der Entwicklung von Quantencomputern nützlich sein, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“.
Das Vakuum des Weltalls ist gängiger Theorie nach nie wirklich leer. Stattdessen sorgen sogenannte Quantenfluktuationen dafür, dass überall und ständig winzige Schwankungen physikalischer Parameter und damit auch der Energie auftreten. Dieses auf der Heisenbergschen Unschärferelation beruhende Phänomen gilt als mögliche Basis für die rätselhafte Dunkle Energie, aber auch als Triebkraft der kosmischen Inflation und der heutigen Materieverteilung im Universum. Auch bei Phasenübergängen in atomaren Gasen, in Superaleitern oder Magneten treten der Theorie nach solche Quantenfluktuationen auf.
Phasenübergang im Supraleiter als Testfall
Doch gesehen hat diese winzigen, zufälligen Fluktuationen bisher noch niemand. „Obwohl die Präsenz solcher Quantenfluktuationen inzwischen gut belegt ist, wurden sie noch nie räumlich abgebildet und auch ihre lokale Dynamik ist noch nie untersucht worden“, erklären Anna Kremen von der Bar Ilan Universität in Israel und ihre Kollegen. Das haben sie nun mit einem speziellen Material und einer hochsensiblen Mikroskoptechnik nachgeholt.
Für ihr Experiment kühlten die Forscher extrem dünne Schichten eines Niob-Titan-Stickstoff-Supraleiters bis fast auf den absoluten Nullpunkt herunter. Von diesem Material ist bekannt, dass es bei abnehmender Dicke einen Phasenübergang durchlebt und vom Supraleiter zum Insulator wird. Bei solchen Übergängen treten nach gängiger Theorie Quantenfluktuationen auf – winzige Bereiche des Materials wechseln spontan ihren Leitungszustand.
Zufällig verteilte Blasen
Würden sich diese Quantenfluktuationen abbilden lassen? Um das zu bewerkstelligen, nutzten die Wissenschaftler ein spezielles Messgerät, das sogenannte SQUID (Superconducting Quantum Interference Device). Dieses kann die magnetische Reaktion im Mikrometerbereich auf zweierlei Weise messen: „Rastert man das SQUID über die Probe, dann kartiert es Blasen und Regionen, in denen die Supraleitung unterdrückt wird“, so die Forscher. Hält man das Gerät dagegen längere Zeit still über einer Stelle, erfasst es die zeitlichen Veränderungen dieser Fluktuationen.
Und tatsächlich: Den Forschern gelang es, die räumlichen und zeitlichen Schwankungen im Quantenzustand des Materials abzubilden. Zufällig verteilt traten darin Blasen der Supraleitung und der Nichtleitung auf, deren Muster weder von der Temperatur noch von anderen äußeren Feldern beeinflusst war. „Die beobachtete Körnung ist nicht mit Inhomogenitäten des Systems oder lokalen Temperaturschwankungen verknüpft „, betonen Kremen und ihre Kollegen.
Nützlich auch für Quantencomputer
Damit ist es erstmals gelungen, Quantenfluktuationen direkt abzubilden. Wie das Experiment enthüllte, ist das räumliche und zeitliche Muster der Quantenfluktuationen dabei komplexer als bisher angenommen. „Diese Fluktuationen erscheinen in einem weiten Spektrum an Zeitintervallen“, berichten die Forscher. „Das muss künftig berücksichtigt werden, wenn man Modelle aufstellt, die die mikroskopischen Vorgängen bei einem Quantenübergang wiedergeben sollen.“
Die Fähigkeit, lokale Quantenfluktuationen und -übergänge abzubilden, könnte aber auch Quantencomputern und anderen praktischen Anwendungen der Quantenphysik zugutekommen. „Wir stellen uns beispielsweise vor, dass man mit zwei SQUIDS, einem fest und einem rasternd, die Quantenverschränkung in einem Festkörpersystem untersuchen könnte“, so Kremen und ihre Kollegen. (Nature Physics, 2018; doi: 10.1038/s41567-018-0264-)
(Bar-Ilan University, 21.08.2018 – NPO)