Alarmierender Trend: Die Masern haben in Europa einen neuen Höchsttand erreicht. Seit Jahresbeginn sind bereits 41.000 Menschen an Masern erkrankt – das ist mehr als jemals zuvor in diesem Jahrzehnt. Mindestens 37 Menschen sind im ersten Halbjahr 2018 bereits an der hochansteckenden Viruskrankheit gestorben, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet. Der dramatische Anstieg der Masernfälle ist vor allem auf ungenügende Impfungen zurückzuführen. – und wäre daher vermeidbar.
Die Masern sind alles andere als eine harmlose Kinderkrankheit: Das hochansteckende Masernvirus kann neben Hautauschlägen und Fieber auch schwere Komplikationen verursachen. Dazu gehören eine Lungenentzündung und eine Entzündung des Gehirns, die sogenannte Meningoenzephalitis. Sie kann geistige Behinderungen verursachen und führt bei bis zu 20 Prozent der Fälle zum Tod. Außerdem kann besonders bei Kindern einige Jahre nach der akuten Infektion eine tödliche Gehirnentzündung, die sogenannte Panenzephalitis, auftreten. Insgesamt beziffert die WHO die Todesrate bei einer Maserninfektion auf zwischen 1:1.000 und 1:2.000.
Impflücken ermöglichen Ausbrüche
Das Problem: Eigentlich ist eine Maserninfektion durch eine Impfung vermeidbar. Die deutsche Impfkommission empfiehlt daher für alle Kleinkinder eine zweiteilige Masernimpfung. Doch aus Sorge um Nebenwirkungen und Skepsis gegenüber der Notwendigkeit einer solchen Impfung lassen gerade in deutschen Großstädten immer weniger Eltern ihre Kinder impfen. Auch ein längst als falsch entlarvter Hinweis auf vermehrte Autismusfällen nach einer Masernimpfung hält viele von einer Impfung ab.
Als Folge liegt die Impfrate in einigen Gebieten Deutschlands unter 80 Prozent. Das aber ist zu wenig, um eine Ausbreitung der Masern in der Bevölkerung zu verhindern, wie die WHO betont. Weil das Masernvirus extrem ansteckend ist, sind mindestens 95 Prozent Immunisierung nötig, um beispielsweise auch noch ungeimpfte Säuglinge vor einem Ausbruch zu schützen.
Neue Rekordwerte seit Jahresbeginn
Die Quittung zeigt sich jetzt: In Europa sind im ersten Halbjahr 2018 so viele Menschen an Masern erkrankt wie lange nicht mehr. Nach Angaben der WHO wurden 41.000 Fälle in der EU gemeldet, mindestens 37 Menschen sind an den Masern gestorben. „Wir sehen damit einen dramatischen Anstieg der Infektionen und anhaltenden Ausbrüche“, sagt Zsuzsanna Jakab, Regionaldirektorin der WHO für Europa.
Allein in den letzten sechs Monaten gab es fast doppelt so viele Masernfälle wie im gesamten Jahr 2017 – und schon das galt mit mehr als 23.000 Fällen als Rekordjahr. Besonders viele Infektionen werden in diesem Jahr in der Ukraine, Serbien, Russland, Georgien, Italien, Griechenland und Frankreich gemeldet. Allein in der Ukraine erkrankten 23.000 Menschen, in Serbien gab es mit 14 Toten die meisten Todesfälle. In Deutschland sind seit Jahresbeginn 387 Menschen an Masern erkrankt, wie die WHO berichtet.
Ziel ist die Ausrottung der Krankheit
„Dieser teilweise Rückschlag demonstriert, dass jede nichtgeimpfte Person potenziell gefährdet ist – egal wo sie lebt“, betont Jakab. „Alle Länder müssen vermehrt Anstrengungen unternehmen, um die Immunisierungsraten zu erhöhen und die Impflücken zu schließen.“ Eigentlich hatte die 53 Mitgliedstaaten der europäischen WHO-Region das Ziel, die Masern bis zum Jahr 2010 auszurotten – was nicht gelang.
Nächstes Ziel ist es nun, bis 2020 weltweit eine 95-prozentige Impfrate für Masern zu erreichen und die Infektion in mindestens fünf der sechs WHO-Regionen zu eliminieren. In Europa ist dies bereits in 33 der 53 Mitgliedsländer gelungen. Deutschland hat bislang aber weder die angestrebte Impfrate erreicht, noch gelten die Masern bei uns als eliminiert.
„Wir können diese Krankheit stoppen. Aber wir werden keinen Erfolg haben, wenn nicht jeder seinen Teil dazu beiträgt – indem die Kinder, sie selbst, ihre Patienten und ihre Populationen geimpft werden“, betont Jakab.
(World Health Organisation WHO Europe, 21.08.2018 – NPO)