Physik

Physiker knacken das Spaghetti-Problem

Warum ungekochte Nudelstäbe nie in zwei Teile brechen – außer man verdreht sie

Fasst man sie an den Enden und biegt, zerbrechen Spaghetti immer in mehr als zwei Stücke - aber warum? © Heisser et al. /MIT

Skurriler Effekt: Wenn man ungekochte Spaghetti an den Enden packt und biegt, brechen sie immer in mehr als zwei Stücke – nur zwei Bruchstücke zu erzeugen, gilt als nahezu unmöglich. Doch jetzt haben Physiker dieses Spaghetti-Problem überlistet. Im Experiment fanden sie heraus: Wenn man die Spaghetti gleichzeitig dreht und biegt, verhindern sich überlagernde physikalische Effekte die sonst typischen Folgebrüche – und man erhält nur zwei Fragmente.

Der berühmte US-Physiker Richard Feynman verbrachte einst fast einen ganzen Abend damit, ungekochte Spaghetti-Nudeln zu zerbrechen – und nach einer Erklärung für ihr seltsames Verhalten zu suchen. Denn egal, was man auch tut, fasst man die Stäbe an den Enden und biegt, brechen die Nudeln niemals nur in zwei Bruchstücke. Immer bekommt man drei oder mehr Fragmente. Aber warum?

Den Grund dafür fanden Wissenschaftler erst im Jahr 2005. Wie sie herausfanden, bricht die Spaghetti als erstes in der Mitte, wo die Biegespannung am größten ist. Doch dieser Bruch löst heftige Schwingungen im Nudelstab aus, den sogenannten „Snap-Back“-Effekt. Diese Vibrationen führen dazu, dass die Nudel fast sofort an weiteren Stellen bricht.

Mit dem richtigen Dreh

Doch es blieb die Frage, ob sich dieser Effekt überlisten lässt: Kann man eine Spaghetti doch irgendwie dazu bringen, nur einmal zu brechen? Dieser Frage sind nun Ronald Heisser vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen nachgegangen. Für ihre Experimente bauten sie sich sogar ein spezielles Spaghetti-Gerät. In dieses lässt sich ein Spaghetti-Stab einspannen und durch Bewegen der Endstücke biegen, aber auch in sich verdrehen.

Mit diesem Gerät unterzogen die Forscher die Spaghettis ihren Bruchtests. © Heisser et al./ MIT

Die Idee der Forscher: Vielleicht lassen sich die zerstörerischen Schwingungen im Nudelstab ja bändigen, wenn man die Nudel gleichzeitig verdreht. Und tatsächlich: Verdrehten sie die Enden der Spaghetti zuerst um fast 360 Grad gegeneinander und bogen den Nudelstab dann, brach er nur in zwei Stücke. Berechnungen ergaben, dass die kritische Schwelle für den „Twist“ für einen 25 Zentimeter langen Nudelstab bei 270 Grad liegt.

Konkurrierende Schwingungen

Doch was steckt dahinter? Wie die Physiker erklären, erzeugt das Verdrehen der Nudel eine zusätzliche Spannung, die den Snap-Back-Effekt hemmt. Nach dem ersten Bruch entlädt sich auch diese Spannung in Schwingungen: „Dabei durchläuft die Nudel eine Serie von schraubenzieherartigen Verwindungen, bis sie schließlich wieder zur Ruhe kommt“, erklärt Koautor Jörn Dunkel vom MIT.

Wie die Forscher feststellten, verbreiten sich diese Schraubenzieher-Schwingungen schneller als die seitlichen Schwingungen des Snap-Back-Effekts. Dadurch wird ein Teil der Energie freigesetzt, bevor weitere Brüche auftreten können. „Deshalb bekommt man nie einen zweiten Bruch, wenn man die Nudel nur stark genug verdreht“, so Dunkel.

Konkurrierende Schwingungen dämpfen den Snap-Back-Effekt und stoppen so das Zerbrechen nach dem ersten Bruch. © Heisser et al./ MIT

Spannend auch für andere Stäbe

„Zusammengenommen fördern unsere Experimente und die theoretischen Berechnungen das Wissen darüber, wie das Verdrehen Bruchkaskaden beeinflussen kann“, sagt der MIT-Forscher. Dieses Wissen sei nicht nur im Küchenalltag nützlich, sondern überall dort, wo dünne Stäbe unter Spannung stehen – beispielsweise bei Nanoröhrchen, Faserverbundstoffen oder sogar den Mikrotubuli in unseren Körperzellen.

„Es wird interessant sein zu sehen, ob und wie ein solches Verdrehen die Bruchdynamik auch bei anderen zwei- und dreidimensionalen Materialien kontrollieren kann“, sagt Dunkel. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1802831115)

(Massachusetts Institute of Technology, 14.08.2018 – NPO)

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