Warum kann der Regenwurm nach der Teilung weiterleben?

Wissenswert

Regenwurm (Lumbricus terrestris) © s shepherd (Alias auf Flickr: schizoform) / CC BY 2.0

Regenwürmer: Viele Menschen finden sie eklig, Vögel haben sie zum Fressen gern und sie verlassen ihre erdige Behausung meist, wenn es regnet. Soviel ist über den Lumbricus terrestris, wie er sich lateinisch nennt, bekannt. Doch er hat weitere geheimnisvolle Eigenheiten, die vielen schon in früher Kindheit begegneten: Obwohl die spitze Schaufel den Wurm sauber durchtrennte, winden sich beide Körperenden weiter über den Sandkistenrand. Der Wurm soll das fehlende Stück sogar wieder erneuern können. Aber stimmt das überhaupt oder ist es ein Mythos?

Karin Voigtländer vom Senckenberg Museum Görlitz sagt eindeutig: „Nein, es ist keine Legende. Der Wurm kann weiterleben, auch wenn ihm ein großer Teil seines Körpers fehlt. Er kann den fehlenden Teil regenerieren.“ Nicht ganz egal scheint es dabei jedoch zu sein, an welcher Stelle der Wurm zertrennt wurde. Das Vorderteil mit den Mundwerkzeugen könne nur neu gebildet werden, wenn vorn wirklich nur wenige Segmente fehlen, sagt die Biologin. Denn das Zentralhirn und der Verdauungsapparat seien im vorderen Teil des Wurmes lokalisiert.

Sehr selten seien aber auch lebende Hinterenden ohne Kopf zu finden, erzählt Norbert Höser vom Naturkundlichen Museum Altenburg. Natürlich könnten diese nur begrenzte Zeit überleben, da sich ein Wurm ohne Kopf nicht richtig ernähren kann. Entstehen würden diese, weil potentiell tatsächlich beide Enden regenerationsfähig seien. Das Hinterende sei dabei jedoch lediglich in der Lage ein zweites Schwanzende zu erzeugen – die wichtigen Organe aus dem Vorderteil fehlen dann. Das Vorderende hingegen habe das Potential ein neues Hinterteil zu regenerieren und somit einen kompletten Wurm zu bilden. „Allgemein ist allerdings die Überlebensrate solcher verletzter Würmer in freier Natur infolge von Wundinfektionen relativ gering“, räumt Höser ein.

Wie wird das Fehlende ersetzt?

Das Wachstum des neuen Wurmteils dauere etwa eine Woche, sagt Höser. Während dieser Zeit bilde sich zuerst eine Wundschicht auf dem Ende. Dann wanderten Zellen aus dem Darm und der Haut in die verletze Region ein, um nach und nach die neuen Segmente zu bilden. „Die Segmente am Hinterende werden schneller regeneriert als die am Vorderende, auch sind die hinteren Ersatzstücke zumindest in der ersten Zeit schmaler“, sagt der Biologe. Die Pigmentierung des Wurmes benötige allerdings etwa zwei bis drei Monate, um den Ausgangszustand wiederherzustellen.

Auch dafür, dass beide Enden nach der Trennung scheinbar so agil über den Sandkistenrand robben, gibt es eine biologische Erklärung: Die erdigen Überlebenskünstler haben ein sogenanntes Stickleiternervensystem, welches sich – wie der Name vermuten lässt – strickleiterartig durch den ganzen Körper zieht. Werde der Wurm nun gezwickt oder eben komplett durchtrennt, so löse dieser Schmerz den Fluchtreflex des Regenwurmes aus, erklärt Höser. Daraus resultieren Muskelzuckungen, die für das vermeintliche Weiterkriechen des Lumbricus verantwortlich sind. Traf ihn der Spaten an der falschen Stelle, können dies dann auch seine letzten Lebenszeichen sein.

28.01.2014 – KBE

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