Sie sind ein typisches Souvenir vom Strandurlaub: Die großen gewundenen Gehäuse von Muscheln und Meeresschnecken wecken in uns die Erinnerung an Sonne, Meer und Strand. Doch die Schalen dieser Meerestiere bringen uns nicht nur optisch den Ozean ins Haus, sie tun dies auch akustisch. Halten wir uns die längliche Öffnung dieser Gehäuse ans Ohr, hören wir ein leises Rauschen ähnlich dem des Meeres – und dies auch dann, wenn wir meilenweit von jedem Meer entfernt sind. Aber woher kommt dieses Rauschen?
Erfahrene Strandgutsammler wissen, dass die besten „Rauscher“ dabei nicht Muschelschalen sind, sondern große Gehäuse von Meeresschnecken. Denn nur sie besitzen einen ausreichend großen Hohlraum, damit dieser Rauscheffekt auftritt – bei den meisten Muscheln ist das nicht der Fall. Umgekehrt kann sogar ein leeres Glas oder eine Tasse dieses Geräusch hervorbringen, wenn wir sie ans Ohr halten. Aber egal ob Muschel, Schnecke oder Tasse: Was genau hören wir da eigentlich?
Pulsierendes Blut oder einströmende Luft?
Lange Zeit glaubte man, es wäre das Geräusch des eigenen Blutes. Die Schale, so hieß es, verstärke das leise pulsierende Rauschen in den Adern unseres Kopfes. Dass das so nicht stimmen kann, lässt sich mit einem Mikrophon einfach ausprobieren: Halten wir es an die Öffnung eines auf dem Tisch liegenden Schneckengehäuses, zeichnet es ebenfalls das typische Rauschen auf. Und das, obwohl wir das Schneckengehäuse gar nicht am Ohr haben und daher auch keine unserer Blutadern in der Nähe ist.
Wenn es aber das Blut nicht ist, was ist es dann? Könnte es Luft sein, die in der Schale zirkuliert und dort das Rauschen erzeugt – ähnlich dem Rauschen des Windes in den Bäumen? Auch diese Theorie lässt sich durch einen Versuch entkräften, wie David Sharp von der Open University im britischen Milton Keynes erklärt: Halte man die Schneckenschale oder das Glas in einem stillen, schallisolierten Raum ans Ohr, höre man – nichts. „Das charakteristische „Schschschsch“ ist hier kaum mehr hörbar“, sagt Sharp. Wäre aber der Luftstrom die Ursache, müsste man das Rauschen noch hören, denn auch in einem schalldichten Raum zirkuliert die Luft.
Schale wirkt als Resonanzkammer
Woher aber kommt dann das Rauschen? „Die Antwort lautet: aus unserer Umgebung“, sagt Sharp. Denn wir sind fast im Alltag immer von Geräuschen umgeben. Halte man sich die Schneckenschale ans Ohr, wirke sie wie eine Resonanzkammer. Die aus der Umgebung eindringenden Schallwellen werden von den Wänden des Gehäuses hin- und hergeworfen und lassen die Luft im Innenraum mitschwingen. Dies verstärke bestimmte Frequenzen der Umgebungsgeräusche und dämpfe andere ab. „Die verstärkten Frequenzen verbinden sich zu dem charakteristischen Rauschen, das uns an die Meereswellen am Strand erinnert“, erklärt der Forscher.
Aber nicht jede Schale klingt gleich: Wie hoch oder tief das Rauschen ist, sei von ihrer Form und Größe abhängig, sagt Sharp. Denn je nach Hohlraumgröße schwingt die Luft bei bestimmten Schallfrequenzen mal mehr mal weniger stark mit. Größere Schneckengehäuse verstärken etwas niedrigere Frequenzen als kleinere. Deshalb klingt ihr Rauschen tiefer.
10.07.2013 – NPO