Sie verbinden Menschen miteinander und trennen zugleich enge Nachbarn: Sprachen gehören zu unseren wichtigsten Errungenschaften. Rund 6.000 verschiedene „Kommunikations-Codes“ existieren heute auf der Erde – noch. Denn über 2.200 Sprachen sind im Weltatlas für bedrohte Sprachen der UNESCO erfasst, 576 davon gelten sogar als akut gefährdet. Doch warum sterben Sprachen aus?
„Zum einen verschwinden sie, wenn die Sprecher einer Sprache verschwinden. Bei kleineren Sprachgemeinschaften können beispielsweise Katastrophen oder Völkermord dazu führen, dass alle Sprecher auf einmal sterben“, sagt René Schiering, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Bedrohte Sprachen. Weitaus häufiger sei es jedoch so, dass Sprecher ihre Sprache zugunsten einer prestigereicheren Mehrheits- oder Verkehrssprache aufgäben. „Zum anderen ist eine Sprache bedroht, wenn sie nicht mehr an zukünftige Generationen weitergegeben wird. Der Sprachtod tritt dabei dann ein, wenn Kinder die betroffene Sprache nicht mehr sprechen. Oft verlaufen diese Entwicklungen parallel“, sagt Schiering.
Sprachen werden verdrängt
So wurde beispielsweise die gallische Sprache, die zwischen dem 4. Jahrhundert vor und dem 3. Jahrhundert nach Christus im heutigen Frankreich weit verbreitet war, vollständig von der Mehrheitssprache Lateinisch verdrängt. In Deutschland gelten zurzeit das Ostfriesische und das Sorbische als vom Aussterben bedroht.
Gesprochen wird das letzte verbliebene Überbleibsel des Ostfriesischen, das Saterfriesisch, nur noch von gut 2.000 Menschen. Sie leben in drei Ortschaften im Landkreis Oldenburg in Niedersachsen. Weil fast nur noch Ältere diese Sprache beherrschten, drohte sie ganz zu verschwinden. Heute lernen die Kinder dieser Gegend das Saterfriesische wieder in der Schule. Trotzdem ist das Saterland noch immer die wohl kleinste Sprachinsel in Europa.
Der Sprachentod geht weiter
Laut einem Bericht der UNESCO aus dem Jahr 2003 sprechen heute bereits 97 Prozent der Menschheit nur rund vier Prozent aller Sprachen weltweit. Das bedeutet aber auch, dass der Großteil der Sprachen von nur einem Bruchteil der Weltbevölkerung am Leben gehalten wird. Etwa die Hälfte der Sprachen verliert mittlerweile deutlich an Nutzern. „Wir schätzen, dass in den meisten Regionen der Erde über 90 Prozent der einheimischen Sprachen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts durch dominierende Sprachen ersetzt werden“, konstatiert der UNESCO-Report.
Für die meisten Sprachwissenschaftler ist der Verlust eine Sprache eine Katastrophe. Denn mit ihr gehen auch immer Kultur, Traditionen und Werte verloren. „Für die Sprecher einer Sprache stellt diese einen Baustein der eigenen Identität dar. Der Verlust der eigenen Kultur und Sprache wird somit von vielen betroffenen als traumatisches Ereignis wahrgenommen“, ergänzt Schiering.
Wie kann man bedrohte Sprachen retten?
Doch er sieht durchaus Möglichkeiten eine bedrohte Sprache zu retten. So könne Medienpräsenz das Ansehen der betroffenen Sprache stärken. Auch ein gezielter Unterricht in den Schulen – beispielsweise als Wahlfach oder in speziellen Klassen – bietet Chancen eine Sprache wieder zu beleben und ihre Weitergabe zu fördern. „Oft geben die Dokumentation und Archivierung einer bedrohten Sprache der Sprachgemeinschaft den entscheidenden Impuls, sich für ihre eigene Sprache einzusetzen und sich um deren Erhalt einzusetzen“, sagt Schiering.
03.05.2013 – DLO/dapd