In Benediktbeuern konzentriert sich Fraunhofer zunächst auf die Verbesserung der Glasqualität. Wieder und wieder führt er Experimente mit veränderten Rohmaterialien und modifizierten Schmelzverfahren durch, die er präzise dokumentiert. So gelingt es ihm schließlich, schlieren- und blasenfreie Gläser herzustellen. Gleichzeitig setzt er im Betrieb etwas damals absolut Ungewöhnliches durch: standardisierte Vorgehensweisen bei der Bearbeitung des fertigen Glases. Das Ergebnis soll damit unabhängiger vom Geschick des einzelnen Linsenschleifers werden.
Mikroskope, Lupen und Ferngläser
Diese Innovationen tragen schon bald Früchte. Unter Fraunhofers Federführung erweitert die Werkstatt ihre Produktpalette erheblich. Sie stellt nun Mikroskope, Lupen und Ferngläser von einer bis dahin unerreichten Qualität her. Die Instrumente werden in ganz Europa vertrieben und machen Benediktbeuern regelrecht zur Pilgerstätte.
Gelehrte und Politiker aus aller Herren Länder begeben sich auf den Weg, um jenen Kopf zu treffen, der hinter den erstaunlichen Produkten steht. Bedeutende Persönlichkeiten wie Carl Friedrich Gauß und wahrscheinlich sogar der russische Zar Alexander I. besuchen Fraunhofer an seiner Wirkungsstätte.
Immer größere Linsen
Besondere Aufmerksamkeit erhält er dabei für seine astronomischen Fernrohre. Dank der Verbesserungen bei der Produktion optischer Linsen ist es Fraunhofer möglich, Linsenfernrohre von einer Größe und Leistungsstärke herzustellen, die bislang undenkbar schienen. Die Objektivdurchmesser seiner sogenannten Refraktoren nehmen ab 1814 beständig zu – zum ersten Mal entstehen damit Linsenteleskope, die an die Leistung der bis dato überlegenen Spiegelteleskope heranreichen und diese sogar übertreffen.
Fraunhofer schafft es zudem, seine großen Fernrohre parallaktisch zu montieren. Das heißt: Die Mechanik des optischen Geräts ist so konstruiert, dass eine Achse immer exakt parallel zur Rotationsachse der Erde ausgerichtet ist. Auf diese Weise lässt sich jedes Himmelsobjekt konstant im Gesichtsfeld des Teleskops halten. Die Massen großer Fernrohre mit der dafür erforderlichen Präzision zu bewegen, war vor Fraunhofer noch niemandem gelungen.
Ein neuer Planet wird entdeckt
Von diesen Erfolgen ist auch der Astronom Friedrich Wilhelm Georg von Struve angetan. Der Leiter der kaiserlich-russischen Sternwarte Dorpart gibt bei Fraunhofer 1818 einen großen, parallaktisch montierten Refraktor in Auftrag. Größer als alle Fraunhofer-Fernrohre zuvor soll er werden. Es dauert sechs Jahre, bis der Optiker dieses ambitionierte Projekt vollendet – eine Arbeit, die ganz neue Maßstäbe setzt: „Mit dem Dorparter Refraktor schuf Fraunhofer das Urbild aller parallaktisch aufgestellten Linsenfernrohre“, schreibt das Deutsche Museum.
Die Qualität dieser Fernrohre bleibt viele Jahre unübertroffen und ermöglicht grundlegende Entdeckungen. Mit einem dem Dorpart-Refraktor baugleichen Exemplar erblickt Johann Gottfried Galle in der Berliner Sternwarte 1846 einen bisher unbekannten, leuchtenden Punkt am Firmament: Durch die Linse des Fernrohrs, das heute im Deutschen Museum in München steht, hat er den achten Planeten unseres Sonnensystems entdeckt – den Eisplaneten Neptun.
Daniela Albat
Stand: 09.11.2018