„Bio“ boomt: Die Umsätze mit ökologisch produzierten Lebensmitteln steigen seit vielen Jahren rasant – genauso wie die Zahl der Biobetriebe und der Umfang der biologisch bewirtschafteten Flächen. Auf der einen Seite ist das eine gute Nachricht. Denn „Bio“ soll im Vergleich zu konventionell hergestellten Produkten nicht nur gesünder sein. Auch in punkto Umwelt- und Klimabilanz schneidet der Ökolandbau häufig besser ab.
Andererseits gibt es aber ein Problem: Biobauern produzieren einer Metastudie zufolge im Schnitt 20 bis 25 Prozent weniger Lebensmittel pro Hektar Fläche als ihre nach konventionellen Methoden arbeitenden Kollegen – unter anderem weil sie ohne synthetische Pestizide und Kunstdünger auskommen müssen. Damit scheint ein vollständiger Umstieg auf ökologische Landwirtschaft kaum geeignet dafür, den weltweit wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu bedienen.
Ein Problem der Produktivität
Der Agrarstatistiker Georg Keckl formulierte es in einem Beitrag für das Online-Magazin „Novo“ kürzlich so: „Interessant ist, dass bei der aktuellen Diskussion über das Wegwerfen von Lebensmitteln niemand auf die Idee kommt, dass der Verzicht auf Erträge bei der Bio-Landwirtschaft auch eine Form des Wegwerfens sein kann.“
Zwar kommen Untersuchungen zu dem Schluss, dass die ökologische Landwirtschaft theoretisch genügend Essen für alle produzieren könnte. Dies klappt jedoch nur unter ganz bestimmten, teils unrealistischen Bedingungen, wie etwa eine Modellrechnung von Urs Niggli vom schweizerischen Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick und seinen Kollegen zeigt: Wenn wir deutlich weniger Tierisches konsumieren, kaum noch Lebensmittelabfälle produzieren und mehr Flächen als Ackerland nutzen.
Öko trifft Hightech
Zukunftsträchtig kann „Bio“ dennoch sein, glauben Experten wie Niggli und der Biolandwirt Heinrich Graf von Bassewitz vom Deutschen Bauernverband: Wenn Öko mit Hightech kombiniert wird. Denn theoretisch gibt es heute Ansätze und Technologien, die so weiterentwickelt werden könnten, dass sie hohe Produktivität mit Nachhaltigkeit verbinden.
An entsprechenden Forschungsprojekten mangelt es allerdings: „Vor 30 Jahren haben wir noch Überschüsse produziert und aus diesem Grund die öffentliche Forschung zu Produktivität weitgehend eingestellt und der Pflanzenschutz- und Saatgutindustrie überlassen. Nicht kommerzielle Agrarforschung fehlt heute fast völlig. Aber wir benötigen sie, um nachhaltige Produktionsverfahren mit hoher Produktivität zu entwickeln“, schreibt von Bassewitz auf der Webseite des Deutschen Bauernverbands.
„Technologischer Big Bang“
Seiner Ansicht nach braucht es einen „technologischen Big Bang“ im Ökolandbau. Nur dann könne die biologische Landwirtschaft wettbewerbsfähig und fit für die Zukunft werden. „Wer wäre gegen ein solches High-Tech-System, das den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen und zudem den Ansprüchen der Verbraucher an Produktqualität gerecht würde?“, fragt er. Die Antwort scheint klar.
Daniela Albat
Stand: 19.10.2018