Stellarer Gasklau: Astronomen haben zwei Exoplaneten entdeckt, die große Mengen Helium ans Weltall verlieren. Einer von ihnen zieht sogar einen langen Schweif aus Heliumgas hinter sich her, wie Spektralmessungen belegten. Die Ursache dafür ist die große Nähe dieser Gasriesen zu ihrem Stern: Sein starker Sternenwind entreißt ihnen das Helium. Im Extremfall könnte so ihre gesamte Gashülle verloren gehen – und eine Supererde entstehen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Helium ist das zweithäufigste Element im Universum, doch auf der Erde ist es eher Mangelware. Der Grund dafür ist die extreme Flüchtigkeit dieses leichtesten aller Edelgase: Es entweicht leicht in die Atmosphäre und von dort aus in den Weltraum. Anders ist dies bei großen Gasplaneten wie Jupiter und Saturn, weil ihre Schwerkraft ausreicht, um das flüchtige Helium in ihrer Gashülle festzuhalten.
Heliumrätsel bei fernen Gasriesen
Ungeklärt war jedoch bisher, ob dies auch bei extrasolaren Gasplaneten der Fall ist. Denn in ihren Gashüllen Helium nachzuweisen, ist relativ schwierig. Im Lichtspektrum verrät sich dieses Element oft nur in Absorptionslinien, die weit im infraroten Strahlungsbereich liegen – und viele Spektrometer erfassen diesen Bereich nicht oder nur sehr ungenau. Deshalb ist es Astronomen auch erst vor kurzem gelungen, überhaupt Helium in der Atmosphäre eines Exoplaneten nachzuweisen.
etzt haben zwei Forschergruppen gleich mehrere heliumreiche Gasplaneten näher ins Visier genommen – und dabei Spannendes entdeckt. Für ihre Beobachtungen nutzten sie den Carmenes-Spektrographen am Calar Alto Observatorium im spanischen Almeria. Dieses Instrument kann mehr als 100.000 verschiedene Frequenzbereiche im Infrarot unterscheiden und messen – und so auch die feinen Absorptionslinien von Helium in diesem Bereich aufspüren.
HAT-P-11b: Aufgebläht wie ein Ballon
Die Beobachtungen enthüllten: Trotz ihrer Größe drohen heliumreiche Gasplaneten bei zu großer Nähe am Stern ihre Gashüllen zu verlieren. Ein Beispiel dafür entdeckte das Team um Romain Allart von der Universität Genf in dem rund 124 Lichtjahre entfernten Gasriesen HAT-P-11b. Er umkreist seinen Stern rund 20-Mal näher als die Erde die Sonne, er benötigt für einen Umlauf nur knapp fünf Tage.
„Wir hatten daher den Verdacht, dass die große Nähe zum Stern die Atmosphäre dieses Exoplaneten beeinflussen könnte“, sagt Allart. Und tatsächlich: Den Spektralanalysen nach rast das Helium mit mehr als 10.000 Kilometern pro Stunde aus der Gashülle von HAT-P-11b hinaus. „Weil Helium ein so leichtes Gas ist, entgeht es der Anziehungskraft des Planeten und bildet eine ausgedehnte Wolke um ihn herum“, erklärt Co-Autor Vincent Bourrier von der Universität Genf. Dieser Halo aus entwichenem Helium reicht bis etwa 2,3 Planetenradien weit ins All hinaus.
WASP-69b: Gasriese mit Heliumschweif
Noch extremer ist dieser Heliumschwund bei einem Planeten, den das zweite Team um Lisa Nortmann vom Astrophysikalischen Institut der Kanaren auf Teneriffa beobachtet hat. WASP-69b hat etwa die Masse des Saturn und umkreist seinen Stern ebenfalls sehr eng, er benötigt nur knapp vier Tage für einen Umlauf. Wie die Lichtkurve enthüllte, wird auch seine Atmosphäre stark vom Sternenwind beeinflusst: Eine verstärkte Verdunklung des Spektrums im Heliumbereich spricht dafür, dass auch WASP-69b einen Teil seines Heliumgases verliert und dadurch aufgebläht erscheint.
Aber nicht nur das: „Die Verteilung des Heliums um den Planeten ist asymmetrisch und eine Wolke von Gas folgt ihm entlang seines Orbits“, berichten die Forscher. Mit anderen Worten: Dieser Planet zieht einen Schweif aus Helium hinter sich her. „Unseren Berechnungen nach hat dieser Schweif eine Länge von rund 170.000 Kilometern – das entspricht dem 2,2-fachen Planetenradius“, so Nortmann und ihre Kollegen.
Vom Gasriesen zur Super-Erde
Doch warum bildet WASP-69b einen Heliumschweif und HAT-P-11b nicht? Aus Vergleichen mit weiteren heliumreichen Exoplaneten schließen die Astronomen, dass die Dichte des Planeten, aber auch die Intensität der extremen UV-Strahlung vom Stern dafür eine wichtige Rolle spielt. „Diese Ergebnisse sind ein erster großer Schritt dahin herauszufinden, wie sich die Exoplaneten-Atmosphären im Laufe der Zeit entwickeln“, sagt Nortmanns Kollege Enric Pallé.
Die Ergebnisse bestätigen auch, dass ein solcher Heliumschwund im Laufe der Zeit tatsächlich stark genug ist, um am Ende nur noch den festen Kern eines Gasplaneten übrig zu lassen. Aus einem Gasreisen würde dann eine Super-Erde entstehen. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aat5879; doi: 10.1126/science.aat5348)
Quellen: AAAS, Universität Genf, University of Exeter, Max-Planck-Institut für Astronomie