Zerstörerische Schmelze: Einem Drittel aller Infrastrukturen in der Arktis drohen schwere Schäden durch tauenden Permafrost. Schon bis 2050 könnten hunderte Kilometer Bahnlinien, Öl- und Gaspipelines und Straßen, aber auch Gebäude und Industrieanlagen beschädigt oder zerstört werden, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Mehr als drei Millionen Menschen werden davon betroffen sein.
Nirgends ist der Klimawandel so ausgeprägt wie in der Arktis. Die Temperaturen sind dort bereits mehrere Grad stärker angestiegen als im weltweiten Durchschnitt, das Meereis schwindet im Rekordtempo und auch der Permafrost taut immer weiter auf – mit potenziell fatalen Folgen. Denn wenn der Eisanteil in diesem normalerweise dauerhaft gefrorenen Untergrund schmilzt, verliert der Boden seine Stabilität. Er sackt ab und wird zu einem schlammigen Morast.
Gravierende Schäden schon jetzt
Für die Bewohner der Arktis und ihre Infrastruktur ist dies schon jetzt fatal: Allein in Alaska verursacht der tauende Permafrost schon jetzt Kosten von mehreren 100 Millionen Dollar pro Jahr. Denn viele Flughäfen, Straßen, Pipelines und Siedlungen müssen aufgrund des instabil gewordenen Untergrunds verlegt oder abgestützt werden. Die unkontrollierte Erosion verändert zudem ganze Landschaften, Flüsse und Uferbereiche.
Welche Gefahren der arktischen Infrastruktur durch die noch kommende Erwärmung drohen, haben nun an Hjort von der Universität Oulu in Finnland und sein Team untersucht. Für ihre Studie nutzten sie Messdaten zur Temperatur- und Permafrostentwicklung, um besonders gefährdete Arktis-Regionen zu identifizieren. Mithilfe von Klimamodellen ermittelten sie dann, wo bis Mitte des Jahrhunderts besonders schwere Schäden drohen.
„Dies ist die erste Studie, die explizit das Ausmaß der potenziell durch den Klimawandel gefährdeten Infrastruktur in der Permafrost-Region der Nordhalbkugel zeigt“, konstatieren die Forscher.
3,6 Millionen Menschen betroffen
Das Ergebnis: „Bis 2050 könnten 3,6 Millionen Menschen von Schäden an der Infrastruktur durch tauenden Permafrost betroffen sein – das entspricht drei Viertel der Bewohner im arktischen Permafrost“, berichten die Forscher. „Zwischen 48 und 87 Prozent der panarktischen Infrastruktur liegen in Gebieten, in denen der Permafrost bis Mitte des Jahrhunderts tauen wird.“
Besonders groß ist das Risiko in Regionen, in denen viel Eis oder eishaltige Sedimente im Untergrund vorhanden sind. Denn wenn diese Schichten tauen, kann der gesamte Untergrund absacken oder aufreißen. Wie die Wissenschaftler ermittelten, liegen solche Hochrisiko-Zonen unter anderem in Nordwest- und Zentralsibirien, im Jakutsk-Becken und im Westen und in der Mitte Alaskas.
Gefahr für Straßen, Bahnlinien, Pipelines und Häuser
Die Infrastruktur dieser Regionen ist in den nächsten Jahrzehnten akut gefährdet: „Allein in dieser Hochrisiko-Zone gibt es mehr als 36.000 Gebäude, 13.000 Kilometer Straßen und 100 Flughäfen“, so Hjort und seine Kollegen. Gefährdet sind auch hunderte Kilometer Bahnlinien, darunter die nördlichste Bahnstrecke der Welt in Sibirien oder eine Verbindung von Qinghai in China nach Tibet.
Fatal auch: „Zudem liegen 45 Prozent der global bedeutenden Öl- und Gasförderstätten der russischen Arktis in solchen Gebieten mit hohem Risiko“, berichten die Forscher. Ihren Ergebnissen nach sind allein bis 2050 rund 550 Kilometer der Trans-Alaska-Pipeline und 1590 Kilometer der Ostsibirien-Pazifik-Pipeline durch tauenden Permafrost bedroht.
Was kann man tun?
Das Problem: Hält die Erwärmung der Arktis an, werden sich viele dieser klimabedingten Schäden kaum verhindern lassen. „Zwar gibt es technische Lösungen, die diese Probleme mindern können, aber ihre ökonomischen Kosten sind zu hoch, um sie in regionalem Maßstab einsetzen zu können“, sagen Hjort und seine Kollegen.
Hinzu kommt, dass selbst ein ambitionierter Klimaschutz schon zu spät kommt, um die für 2050 prognostizierten Gefahren zu verhindern. „Die Risiko-Werte verringern sich selbst dann nicht substanziell, wenn die Klimaziele des Pariser Abkommens erreicht werden“, so die Forscher. Aber: Greife der Klimaschutz schnell genug, könne zumindest eine weitere Eskalation nach 2050 noch verhindert werden. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-07557-4)
Quelle: Nature