Es ist der 10. August 1968. Frank Borman, designierter Kommandant der Apollo 9-Mission, ist in Kalifornien, um letzte Tests am Kommando-Modul durchzuführen. Der ehemalige Pilot der Air Force hat bereits Weltraumerfahrung, im Jahr 1965 umkreiste er gemeinsam mit James Lovell zwei Wochen lang die Erde in einer Gemini-Kapsel. Anfang 1969 soll es für die beiden und den Weltraum-Novizen William Anders als dritten Mann nun wieder in die Erdumlaufbahn gehen – so jedenfalls glauben sie.
Ein irrwitziger Plan
Was Borman nicht ahnt: Noch während er sich auf seinen geplanten Flug vorbereitet, wird bei der NASA in Houston gerade die gesamte Planung wieder umgeworfen. Nachdem klar ist, dass das Mondlandemodul nicht rechtzeitig für die Dezember-Mission fertig wird, muss eine Entscheidung getroffen werden: Verschiebt man Apollo 8 und alle Folgeflüge und riskiert damit, dass die Sowjets den USA zuvorkommen und man noch dazu das von Kennedy gesteckte Ziel verfehlt? Oder geht man ein selbst für die noch junge NASA ungewöhnliches Wagnis ein?
Der NASA-Ingenieur George Low hat eine auf den ersten Blick geradezu irrwitzig scheinende Idee: Apollo 8 soll ohne das Landemodul starten und dann statt in den Erdorbit direkt zum Mond fliegen. Dort angekommen, soll das Raumschiff ihn umrunden und in eine Mondumlaufbahn einschwenken. Auf diese Weise, so die Argumentation, könnte man die Wartezeit auf das Mondmodul nutzen, um die nötigen Flugmanöver zu proben. Bisher existieren diese nur auf dem Papier und in den Köpfen der Ingenieure. Auch die Kommunikation über solche Entfernungen ist noch absolutes Neuland für die Raumfahrt. Eine Mondumrundung schon mit Apollo 8 böte die Chance, all dies zu testen – und den Sowjets zuvorzukommen.
„Sind Sie verrückt geworden?“
Aber sind Technik und Astronauten reif dafür? Ohne dem NASA-Direktor James Webb Bescheid zu sagen, lässt Low das Apollo-Team im Geheimen die nötigen Kurskorrekturen und Manöver durchrechnen und den Status der Rakete und Raumkapseln checken. Sie kommen zu dem Schluss: Ein Flug zum Mond und sogar ein Einschwenken in den Mondorbit wäre schon mit Apollo 8 und damit im Dezember 1968 machbar.
Jetzt muss nur noch die NASA-Leitung von diesem Plan überzeugt werden. Beim stellvertretenden Direktor, Thomas Paine, hat Low keine großen Probleme damit. Anders könnte dies bei James Webb werden, der gerade in Europa an einer Konferenz teilnimmt. Paine ruft diesen an und stößt nicht gerade auf Begeisterung: „Webb brüllte durch die transatlantische Telefonleitung: ‚Sind Sie verrückt geworden?'“, beschreibt Andrew Chaikin die Szene in seinem Buch „A Man on the Moon“.
Und Webb hat nicht unrecht: Der Plan ist zwar in sich logisch und machbar, aber hochriskant. Sollte mit dem Kommandomodul etwas nicht stimmen, hätten die Astronauten keine Mondfähre als Rettungsboot. Zudem war bisher noch kein einziges Apollo-Modul bemannt getestet worden – und jetzt sollte es gleich zum Mond gehen?
Es wird offiziell
Trotz dieser Bedenken einigt man sich schließlich auf einen Kompromiss: Am 19. August 1968 verkündet die NASA auf einer Pressekonferenz, dass man die Apollo-8-Mission ohne das Mondlandemodul durchführen werde – und mit Borman, Lovell und Anders als neuer Crew. Den beiden erfahrenen Gemini-Astronauten traut man am ehesten zu, diesen schwierigen Pionierflug zu meistern.
Wohin der Flug gehen wird, lässt die NASA aber zunächst im Dunkeln – schließlich soll die Sowjetunion nicht vorgewarnt werden. Es heißt nur vage, dass man das konkrete Missionsprofil nach dem Apollo-7-Flug im Oktober 1968 entscheiden werde, dem ersten bemannten Flug einer Apollo-Raumfähre. Und der Testflug gelingt: Sowohl der Transport mit einer Saturn-1B-Rakete in den Orbit als auch die Kommandokapsel und ihre Antriebsdüsen funktionieren einwandfrei.
Damit ist nun der Weg frei für den ersten Flug zum Mond – Apollo 8.