In der Mondumlaufbahn angekommen, widmen sich Borman, Lovell und Anders nun ihrer wichtigsten Aufgabe: der Beobachtung und fotografischen Kartierung der Mondoberfläche. Denn sie sind die ersten Menschen, die die Rückseite des Mondes zu Gesicht bekommen – und die ersten, die der Mondoberfläche bis auf rund 100 Kilometer nahekommen.
„Wie grauer Strandsand…“
Jim Lovell versucht sich als erster darin, der Bodenstation seine Eindrücke von der Mondlandschaft zu beschreiben: „Der Mond ist im Wesentlichen grau, keine Farben. Sieht wie Gips aus oder wie gräulicher Strandsand. Wir können sehr viele Einzelheiten sehen. Die Krater sind alle abgerundet. Es gibt davon eine ganze Menge, manche sind neueren Datums. Viele von ihnen, besonders die runden, sehen aus, als ob sie von Meteoriten oder sonstigen Projektilen getroffen worden seien.“
Insgesamt allerdings bietet der Erdtrabant einen eher enttäuschenden Anblick. Seine Oberfläche ist eine graue Ödnis ohne dramatische Gebirge oder Schluchten. Ganz anders, als sie Stanley Kubricks kurz zuvor erschienener Kinofilm „2001 – Odyssee im Weltraum“ dargestellt hatte.
Der Aufgang der Erde
Doch während der dritten Umrundung bietet sich den Astronauten ein Anblick, der bis heute einzigartig ist: Als Anders aus dem Fenster blickt, sieht er die blauleuchtende Erde über der grauen Mondlandschaft aufgehen. „Oh mein Gott, seht auch diesen Anblick an!“ ruf er aus. „Was denn“ fragt Borman, der damit beschäftigt ist, die Apollokapsel um ihre Achse zu drehen. „Die Erde geht auf!“ antwortet Anders.
Eilig wechselt Anders den Film in seiner Kamera von Schwarzweiß zu Farbe, um die aufgehende Erde in voller Schönheit einfangen zu können. Und es gelingt. Der von der Apollo 8 aufgenommene „Earthrise“ ist bis heute eines der berühmtesten und beeindruckendsten Fotos überhaupt. „Das war das schönste, das ich je gesehen hatte – und völlig unerwartet“, erzählt Anders hinterher. „Dort in der Mondumlaufbahn ging mir auf, dass wir zwar den langen Weg gemacht hatten, um den Mond zu erkunden, aber das Interessanteste am ganzen Flug war der Anblick der Erde vom Mond aus.“
Die Weihnachtsbotschaft
Ähnlich schildert es Jim Lovell in der TV-Übertragung, die die Astronauten am Heiligabend live zur Erde senden: „Die enorme Einsamkeit des Mondes hier oben ist furchteinflößend. Sie lässt einen erst begreifen, was wir zu Hause auf der Erde haben. Von hier aus gesehen ist die Erde eine grandiose Oase in der ungeheuren Weite des Weltalls.“ Während der folgenden Minuten beschreiben die Astronauten noch einmal ihre Eindrücke von der Mondoberfläche und dem Spiel von Licht und Schatten auf diesem kargen Terrain.
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Dann nähert sich das Apollo-Raumschiff der Tag-Nacht-Grenze des Erdtrabanten und die drei Astronauten setzen zum feierlichen Abschluss ihrer Live-Übertragung an: „Wir nähern uns nun dem lunaren Sonnenaufgang. Und für alle Menschen unten auf der Erde hat die Besatzung der Apollo 8 eine Botschaft, die wir euch senden möchten“, sagt Anders. Dann fährt er mit dem Beginn der biblischen Schöpfungsgeschichte fort: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser, und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war, und Gott teilte das Licht von der Dunkelheit.“
Nach ihm setzen Lovell und Borman die Lesung aus der Schöpfungsgeschichte fort. Borman schließt die 29-minütige Übertragung mit den Schlussworten: „Und von der Besatzung der Apollo 8: Wir schließen nun mit einem Gute Nacht, viel Glück, fröhliche Weihnachten und Gott segne euch alle – euch alle auf der guten Erde.“ Eine Milliarde Menschen weltweit sehen und hören diese Weihnachtsbotschaft aus der Umlaufbahn eines fremden Himmelskörpers.