Im goldenen Zeitalter der Antibiotika wurde die Erforschung der Phagentherapie in der westlichen Welt an den Rand gedrückt – doch inzwischen erlebt sie eine Renaissance. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die klassische Antibiotikatherapie scheitert immer häufiger an resistenten Keimen. Viele Bakterien, darunter der Krankenhauskeim MRSA oder die sogenannten ESBL-Bakterien, sind sogar schon gegen mehrere Wirkstoffklassen immun.
Die Situation ist so bedrohlich, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Multiresistenz gegen Antibiotika bereits im Jahr 2014 zur Krise ernannt hat. Seitdem ruft sie immer wieder dazu auf, intensiv nach möglichen Alternativen zu den an Durchschlagskraft verlierenden Mitteln zu fahnden. Hier kommen die Bakteriophagen ins Spiel: In Zeiten der Not hat man sich inzwischen auch in Deutschland an die vor 100 Jahren entdeckten Viren zurückerinnert. Könnten sie der so dringend benötigte Antibiotika-Ersatz sein?
Geringes Resistenz-Risiko
Argumente dafür gibt es einige: Zum einen sind die Phagen im Überfluss vorhanden und für den menschlichen Körper völlig ungefährlich, da sie ausschließlich Bakterienzellen angreifen. Einige der Viren kennt unser Organismus sogar bereits. Zum anderen besteht bei der Phagentherapie ein geringeres Risiko für die Resistenzbildung.
Dies liegt einerseits daran, dass sich die Phagen dynamisch mit ihren Wirten mitentwickeln können. Bilden vereinzelte Bakterienzellen Mutationen, die sie resistent gegen ihren viralen Feind machen, reagiert der Phage: Er entwickelt seinerseits Mutationen, die ihm erlauben, die Bakterien weiter anzugreifen. Andererseits ist in diesem Zusammenhang auch die besondere Spezifität der Phagen von Bedeutung. Sie wirken sehr gezielt gegen ganz bestimmte Keime und nicht wie viele Breitbandantibiotika nach dem Gießkannenprinzip.
Darmflora bleibt intakt
Diese Eigenschaft ist aus einem weiteren Grund von Vorteil: Während Antibiotika krankmachende wie nützliche Bakterien gleichermaßen bekämpfen, tun Bakteriophagen dies nicht. Sie bewahren somit das natürliche mikrobielle Gleichgewicht im Körper und lassen beispielsweise die für unsere Gesundheit so wichtige Darmflora intakt.
Gleichzeitig ergibt sich daraus jedoch auch ein Nachteil: Um eine Infektion erfolgreich bekämpfen zu können, müssen die dafür eingesetzten Phagen genau zu dem bakteriellen Erreger passen. Theoretisch müssen also für jeden Patienten individuell die richtigen Viren gefunden werden. Eine bessere Trefferquote ließe sich mit Mischungen aus unterschiedlichen Phagenstämmen erzielen. Den Einsatz solcher Phagen-Cocktails schlug seinerzeit bereits Bakteriophagen-Entdecker d’Hérelle vor.