Technik

Roboterhand spielt Klavier – mit Gefühl

Materialkombination ermöglicht flexible Handbewegungen trotz rein passiver Kontrolle

Roboterhand
Diese Roboterhand wird rein passiv bewegt und kann trotzdem Klavier spielen. © Josie Hughes

Plastikhand als Pianist: Forscher haben eine neuartige Roboterhand entwickelt, die Klavier spielen kann – und dabei erfolgreich verschiedene Stile nachahmt. Im Unterschied zu klassischen Robotern besteht diese Hand zum Teil aus weichen Materialien und wird passiv bewegt. Dadurch kann sie sowohl harte, deutlich voneinander abgesetzte Töne spielen als auch weiche, ineinanderlaufende Tonfolgen. Die Forscher sehen darin einen ganz neuen Ansatz für die Robotik.

Die menschliche Hand ist das perfekte Werkzeug: Sie ist außerordentlich beweglich, vielseitig und noch dazu feinfühlig. Dank eins komplexen Zusammenspieles von Sehnen, Sinneszellen und den Muskeln des Unterarms kann unsere Hand sowohl große Kraft ausüben als auch feinste Bewegungen mit Fingerspitzengefühl ausführen. Entsprechend schwierig ist es, diese Fähigkeit auch Roboterhänden zu verleihen. „Die meisten heutigen Roboter versagen bei Manipulations-Aufgaben, die selbst kleine Kinder mit Leichtigkeit absolvieren“, erklären Josie Hughes von der University of Cambridge und ihre Kollegen.

Passiv statt aktiv

Um dies zu ändern, haben die Forscher nun einen neuen Ansatz entwickelt. Ihre Roboterhand besteht nicht aus Metall und elektrischen Leitungen, sondern aus mittels 3D-Druck hergestellten Kunststoffbauteilen. Diese ahmen die unterschiedliche Steifigkeit und Flexibilität von Knochen, Sehnen und Gelenken der menschlichen Hand nach. Und ähnlich wie diese werden die Finger dieser Hand nicht aktiv bewegt, sondern passiv, durch „Muskeln“, die im künstlichen Unterarm liegen.

Roboterhand
Das Geheimnis der Roboterhand liegt in den verwendeten Materialien für "Knochen" und "Gelenke". © Josie Hughes

„Wir können solche passiven Bewegungen nutzen, um bei Robotern eine ganze Palette an Bewegungen zu bewirken – beispielsweise laufen, schwimmen oder fliegen“, erklärt Hughes. „Ein intelligentes mechanisches Design ermöglicht es uns dabei, eine maximale Bewegungsspanne mit minimaler Kontrolle und geringem Aufwand zu erzielen.“ So lässt sich beispielsweise die Druckstärke der Finger durch die Wahl verschieden steifer Gelenkmaterialien verändern.

Klassik, Jazz und ein Glissando

Doch was bedeutet dies konkret? Das haben Hughes und ihr Team nun mit einer klavierspielenden Roboterhand demonstriert. „Klavierspielen ist ein idealer Test für solche passiven Systeme, denn es ist eine komplexe und nuancierte Aufgabe, die eine große Spannbreite an Verhaltensweisen erfordert, um die verschiedenen Stile wiederzugeben“, erklären die Forscher. Die Aufgabe: Die Hand sollte drei sehr unterschiedliche Klavierstücke mit der jeweils typischen Akzentuierung und im richtigen Stil spielen.

Das erste Stück war eine kurze Tonfolge aus der „Toccata“ des Barockkomponisten Domenico Scarlatti. „Diese Stück erfordert ein hohes Tempo und einen durch starke Stakkato-Anschläge charakterisiertes Spiel“, erklären die Forscher. Das zweite Stück dagegen – „Alligator Crawl“ des Jazz-Pianisten Fats Waller – beinhaltet dagegen Oktavensprünge, die eine große Handspanne und Stabilität erfordern. Als dritte Stück wählten die Forscher „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin, weil dabei die Töne weich ineinanderlaufend gespielt werden müssen.

Klaviertest bestanden

Und tatsächlich: Die Roboterhand schaffte es, alle drei Stücke zu spielen – und das mit jeweils unterschiedlichem Stil. Bewegt wurde die Hand dabei allein durch die Bewegung des Handgelenks. „Im Moment haben wir nur Basisfunktionen für unserer Hand, aber schon damit kann sie durchaus komplexe Aktionen durchführen“, so Hughes. Der Schlüssel dazu sind die den Materialien eigenen mechanischen Merkmale. Sie „übersetzen“ einfache Handgelenkbewegungen in jeweils unterschiedliche Tastenanschläge.

Noch hat Roboterhand alles andere als Pianisten-Niveau – sie klingt eher wie ein blutiger Anfänger am Klavier. Nach Ansicht der Forscher aber ist dies schon ein vielversprechender Anfang – und ein Beweis dafür, dass solche passiven Systeme auch komplexere Bewegungsaufgaben bewältigen können. „Dieser Ansatz des mechanischen Designs kann die Robotik verändern“, sagt Hughes‘ Kollege Fumiya Iida. Denn für die Kontrolle solcher Roboterhände sei weniger Maschinenlernen nötig als bei herkömmlichen Ansätzen.

„Wir können diesen Ansatz auch auf noch komplexere Manipulations-Aufgaben erweitern – zum Beispiel auf Roboter, die medizinische Prozeduren durchführen oder fragile Objekte greifen“, sagt Hughes. (Science Robotics, 2018; doi: 10.1126/scirobotics.aau3098)

Quelle: University of Cambridge

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