Sensationeller Fund: Paläontologen haben in Norditalien den bisher ältesten Vertreter der großen Raubdinosaurier entdeckt – den größten Fleischfresser des frühen Jura. Das Fossil der Saltriovenator zanellai getauften Art ist fast acht Meter lang, zu Lebzeiten wog dieser Riese vermutlich gut eine Tonne. Das Fossil wirft ein neues Licht auf die Größenentwicklung der Raubsaurier, ist aber auch ein wichtiges Bindeglied zur Vogelevolution.
Ob Tyrannosaurus rex, Allosaurus oder Megalosaurus: Diese zweibeinig laufenden Raubdinosaurier gehören zu den größten Vertretern der fleischfressenden Urzeit-Echsen. Sie wurden bis zu 15 Meter lang und wogen mehr als eine Tonne. Selbst gigantische Pflanzenfresser wie Brachiosaurus oder Brontosaurus waren deshalb nicht vor diesen Räubern sicher. Bisher jedoch war unklar, wann der Riesenwuchs der fleischfressenden Theropoden begann.
Im Museumskeller vergessen
Jetzt wirft ein Fossil aus der Lombardei in Norditalien ein neues Licht auf die Evolution der großen Raubdinosaurier. Entdeckt wurde das rund 200 Millionen Jahre alte Relikt bereits im Jahr 1996 in einem Steinbruch nördlich von Mailand. Weil das Fossil jedoch tief im Gestein eingebettet war, blieb es zunächst jahrelang unbearbeitet im Keller des Mailänder Museums für Naturgeschichte liegen.
Erst im Jahr 1999 wurde das Fossil wiederentdeckt und Forscher begannen damit, die Dinosaurier-Knochen mithilfe von Chemikalienbädern aus dem Gestein zu lösen. Weil das Fossil aber stark fragmentiert war, dauerte es weitere acht Jahre, um das Skelett zusammenzusetzen. Erst jetzt wird deshalb klar, welch ungewöhnlicher Fund der Saltriovenator zanellai getaufte Dinosaurier darstellt.
Der größte Fleischfresser seiner Zeit
„Saltriovenator ist der größte und schwerste Theropode des frühen Jura“, berichten Cristiano Dal Sasso vom Museum für Naturgeschichte in Mailand und seine Kollegen. Denn das Fossil dieses fleischfressenden Dinosauriers ist 7,50 Meter lang – und das Tier war noch nicht einmal ganz ausgewachsen. „Die Analyse der Knochen zeigt, dass Saltriovenator ein noch immer wachsendes Jungtier war“, sagt Sassos Kollege Simone Maganuco. „Insofern ist seine enorme Größe umso bemerkenswerter.“
Die Paläontologen schätzen, dass dieser Raubsaurier zu Lebzeiten zwischen 1,2 und 1,6 Tonnen gewogen haben muss. „Damit verschiebt er das Auftauchen von Theropoden dieser Gewichtsklasse um rund 25 Millionen Jahre nach vorne“, so die Forscher. Denn Fossilien von Raubsauriern aus dem frühen Jura sind nicht nur sehr selten, die meisten von ihnen sind auch deutlich kleiner als der Saltriovenator.
Anstoß zum Gigantismus?
Die frühe Entwicklung so großer Fleischfresser erlaubt spannende Rückschlüsse auf die Ökologie und Räuber-Beute-Verhältnisse in frühen Jura. Demnach könnte schon damals eine Art „Wettrüsten“ zwischen den räuberischen Theropoden und den pflanzenfressenden Sauropoden begonnen haben. Um gegen die großen Fleischfresser gewappnet zu sein, bildeten sich im Laufe dieser Entwicklung immer größere Formen dieser Dinosaurier aus.
„Die Ausbreitung größerer und relativ massiger Theropoden zu einer so frühen Zeit war wahrscheinlich einer der Faktoren, die den Trend hin zum Gigantismus bei den Sauropoden auslöste“, sagen Dal Sasso und seine Kollegen.
Aus vier Fingern wurden drei
Spannend auch: Während die späteren Raubdinosaurier nur drei Finger an ihren klauenbesetzten Vorderbeinen trugen, hatte der Saltriovenator noch vier Finger. Nur drei davon sind jedoch kräftig ausgeprägt und tragen lange Klauen. Der vierte, äußere Finger ist dagegen verkürzt. Damit erweist sich das Fossil aus den italienischen Alpen als wichtiges Bindeglied in der Theropoden-Evolution – und letztlich auch für die Entwicklung der Vögel, wie die Forscher berichten.
„Saltriovenator wirft ein ganz neues Licht auf die Evolution der dreifingrigen Hand der Vögel“, erklärt Dal Sasso. Denn bisher war strittig, welchen Fingerknochen ihre Flügelknochen entsprechen. Während einige Paläontologen eher vermuteten, dass der erste Finger – quasi der Daumen – bei den Vorfahren der Vögel verschwand, liefert Saltriovenator nun Belege für ein anderes Szenario. Demnach wurde der vierte Finger der Theropoden zuerst kleiner und dann ganz reduziert.
„Die Greifhand von Saltriovenator füllt eine entscheidende Lücke im Stammbaum der Theropoden“, sagt Koautor Andrea Cau vom Geologie-Museum on Bologna. „Demnach verloren die Raubdinosaurier nach und nach erst ihren kleinen Finger und dann ihren Ringfinger. Aus dem Rest entstand die dreifingrige Hand, aus dem später der Vogelflügel hervorging.“ (PeerJ, 2018; doi: 10.7717/peerj.5976)
Quelle: PeerJ