Psychologie

Wann fühlen wir uns einsam?

Forscher identifizieren drei Hochphasen der Einsamkeit im Leben

Einsamkeit
Einsamkeit ist mehr als nur eine Folge sozialer Isolation. © Maryna Patzen

Verborgenes Leiden: Unter Einsamkeit leiden mehr Menschen als bisher gedacht – und ihre Zahl nimmt zu. Einer US-Studie zufolge hat sich der Anteil der einsamen Menschen in den letzten 50 Jahren verdoppelt. Besonders betroffen sind davon nicht nur alte oder kranke Menschen. Auch im Alter von Ende 20 und Mitte 50 gibt es eine Hochphase der Einsamkeit, wie die Forscher feststellten. Interessant auch: Soziale Isolation ist längst nicht immer der Hauptauslöser.

Wer sich einsam fühlt, der leidet nicht nur psychisch. Denn das Gefühl der sozialen Isolation hat auch konkrete körperliche Auswirkungen und kann sogar krank machen. Studien belegen, dass einsame Menschen schlechter schlafen, mehr Stress spüren und Schmerzen und Krankheitssymptome als schlimmer empfinden. Zudem hemmt die Einsamkeit das Immunsystem, so dass Betroffene leichter krank werden und möglicherweise sogar schneller altern.

Drei Viertel fühlen sich einsam

Doch wie viele Menschen sind von der Einsamkeit betroffen? Und was bestimmt, wer sich einsam fühlt? Das haben Ellen Lee von der University of California in San Diego und ihr Team in einer Studie mit 340 Teilnehmern zwischen 27 und 101 Jahren untersucht. Mit einem standardisierten Psychotest erfassten sie den Grad der Einsamkeit ihrer Probanden und auch die Lebensumstände.

Das überraschende Ergebnis: Drei Viertel der Teilnehmer empfanden sich als mittel bis schwergradig einsam – erwartet hatten die Forscher maximal 50 Prozent. „Das ist bemerkenswert, weil die Teilnehmer unserer Studie vorher nicht als besonders anfällig gegenüber der Einsamkeit galten“, sagt Lees Kollege Dilip Jeste. Sie hatten keine psychischen Störungen oder Erkrankungen und waren auch nicht überdurchschnittlich stark sozial isoliert. „Unsere Teilnehmer waren ganz normale Leute“, so Jeste.

Drei Hochphasen der Einsamkeit im Leben

Interessant auch: Im Laufe eines Lebens gibt es Phasen, in denen Menschen besonders oft unter Einsamkeit leiden. „Der Schweregrad der Einsamkeit und das Lebensalter haben eine komplexe Wechselbeziehung“, so die Forscher. So liegt eine Hochphase der Einsamkeit am Lebensende, bei den über 80-Jährigen. Eine naheliegende Erklärung dafür ist sicher die soziale Isolation vieler alter Menschen, die Freunde und Lebenspartner durch den Tod verloren haben.

Doch auch in jungen Jahren gibt es besonders einsame Lebensphasen, wie die Studie enthüllt. So leiden Menschen mit Ende 20 offenbar besonders häufig unter Einsamkeit. Eine weitere Lebensphase mit hohem Einsamkeitspotenzial ist das Alter um Mitte 50 – die klassische Midlife-Crisis. Diese auffälligen Häufungen fanden sich sowohl bei Männern wie bei Frauen, wie die Wissenschaftler berichten.

Soziale Isolation ist nicht der einzige Auslöser

Warum aber fühlen sich Menschen überhaupt einsam? Lange galt die soziale Isolation als Hauptfaktor für dieses Empfinden. Doch die neue Studie konnte das nur in Teilen bestätigen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir anders über Einsamkeit denken müssen“, sagt Lee. „Es geht nicht nur um soziale Isolation. Ein Mensch kann allein sein und sich trotzdem nicht einsam fühlen. Ein anderer ist dagegen inmitten von Menschen und fühlt sich dennoch einsam.“

Noch sind die komplexen Ursachen für Einsamkeit längst nicht alle aufgeklärt, betonen die Forscher. „Es gibt hier momentan noch mehr Lücken als Antworten“, so Jeste. Drei Faktoren scheinen aber zumindest in gewissem Maße einen Einfluss zu haben: Anfälliger sind demnach Menschen die alleine leben. Besser geschützt scheinen dagegen diejenigen, die mental eher positiv und stabil eingestellt sind sowie Personen mit höherer Weisheit.

Weisere Menschen sind auch weniger einsam

„Das könnte an den Eigenschaften liegen, durch die Weisheit gemeinhin definiert wird: Empathie und Mitleid, eine gute emotionale Selbstkontrolle und die Fähigkeit zur Selbstreflexion können der Einsamkeit effektiv entgegenwirken oder sie sogar verhindern“, erklärt Lee. „Eine weisere Gesellschaft könnte demnach auch eine glücklichere und weniger einsame Gesellschaft sein.“ (International Psychogeriatrics, 2018; doi: 10.1017/S1041610218002120)

Quelle: University of California – San Diego

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