Eingefangenes Gift: Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich Nebenwirkungen bestimmter Chemotherapien reduzieren lassen könnten. Möglich wird dies durch ein schwammartiges Polymer-Konstrukt: Eingesetzt in eine Vene, filtert dieses Gebilde toxische Medikamentenrückstände aus dem Blut. Auf diese Weise kann es verhindern, dass die Zellgifte in nicht erkrankte Bereiche des Körpers gelangen – und dort ihre schädliche Wirkung entfalten.
Die Chemotherapie gehört im Falle einer Krebserkrankung zur Standardbehandlung. Dabei werden dem Körper Zellgifte verabreicht, die im Idealfall die Tumorzellen töten. Die regelmäßigen Giftdosen setzen aber auch dem Rest des Organismus zu. Dies zeigt sich an Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, Haarausfall und sogar kognitiven Störungen.
Zwar gibt es inzwischen teilweise Möglichkeiten, die Mittel mithilfe von Kathetern direkt zum betroffenen Organ zu bringen. Doch selbst bei diesen Methoden entkommt oft mehr als die Hälfte der verabreichten Dosis aus dem Tumor und gelangt über den Blutkreislauf in andere Bereiche des Körpers – mit schädlichen Folgen.
Gifte herausfiltern
Wissenschaftler um Hee Jeung Oh von der University of California in Berkeley haben deshalb nun nach einem Weg gesucht, die Ausbreitung des Gifts in solchen Fällen zu verhindern. Ihre Idee: Filtert man aus dem befallenen Organ herausströmendes Blut, könnten überschüssige Chemo-Substanzen entfernt und einige Nebenwirkungen verhindert werden.
Um dies zu realisieren, entwickelte das Team ein winziges, schwammähnliches Konstrukt. Dieses besteht aus einem zylinderförmigen Stützgerüst mit einer Polymerbeschichtung. Der Clou dabei: Das für den Mini-Zylinder verwendete Polymer kann an Doxorubicin binden – ein unter anderem bei Leberkarzinomen eingesetztes Chemotherapeutikum.
Individuell angepasst
Wie die Forscher berichten, kann ihr sogenannter Absorber im Rahmen eines minimalinvasiven Eingriffs in eine Vene eingesetzt werden, die das aus dem kranken Organ herausfließende Blut transportiert. „Der Chirurg führt den Zylinder mithilfe eines Drahtes ein und platziert ihn wie einen Stent. Er wird dann für die Zeit der Chemotherapie vor Ort belassen und anschließend wieder entfernt“, erklärt Ohs Kollege Nitash Balsara.Während Blutzellen den Zylinder problemlos durchfließen können, werden im Blut gelöste Medikamentenrückstände darin gefangen. „Dabei ist es wichtig, dass der Zylinder individuell angepasst wird. Stimmt die Größe nicht, kann Blut ungefiltert vorbeifließen“, so der Forscher weiter.
Erfolgreicher Test
Wie gut dies in der Praxis funktioniert, testeten die Wissenschaftler an drei Schweinen. Das vielversprechende Ergebnis: Der in die Lebervene eingesetzte Absorber entfernte im Schnitt immerhin rund 64 Prozent des zuvor injizierten Doxorubicins und löste bei den Tieren keine unmittelbaren Nebenwirkungen aus. „Dies ist ein erster Beleg dafür, dass unsere Entwicklung Medikamente aus dem Blut erfolgreich binden kann“, sagt Balsara.
Die Forscher planen nun, ihre Mini-Zylinder in naher Zukunft auch an menschlichen Probanden zu testen. Bewährt sich die Methode, könnte damit vielen Krebspatienten geholfen werden. Denn der nun entwickelte Absorber ist zwar speziell auf die Entfernung von Doxorubicin ausgerichtet. Prinzipiell lässt sich der Ansatz aber auf eine Vielzahl von Wirkstoffen und Krebsarten übertragen, wie das Forscherteam betont. (ACS Central Science, 2019; doi: 10.1021/acscentsci.8b00700)
Quelle: American Chemical Society/ University of California Berkeley