Astronomie

Röntgensignale vom Ereignishorizont

Sternentrümmer am Schwarzen Loch verraten seine Rotation – und die Präsenz eines Weißen Zwergs

Schwarzes Loch
Röntgenstrahlung eines zerrissenen Sterns verrät die Rotation des Schwarzen Lochs. © NASA/CXC/M. Weiss

Verräterische Röntgenblitze: Astronomen haben einem supermassereichen Schwarzen Loch „aufs Maul geschaut“ – und Spannendes entdeckt. Wiederkehrende Röntgenblitze verrieten ihnen nicht nur, dass der Massegigant gerade einen Stern verschluckte. Der Takt der Strahlenblitze ermöglichte es auch, die Rotationsgeschwindigkeit des Schwarzen Lochs zu bestimmen. Überraschend jedoch: Knapp außerhalb des Ereignishorizonts versteckt sich offenbar ein mitrotierender Weißer Zwerg.

Sie sind die Giganten des Kosmos: Im Zentrum der meisten Galaxien liegen supermassereiche Schwarze Löcher – auch im Herzen unserer Milchstraße. Sie können die millionenfache Masse der Sonne in sich vereinen und prägen durch ihre Schwerkraftwirkung die galaktische Umgebung. Doch die meisten dieser unsichtbaren Riesen sind kaum aktiv und machen sich nur dann durch starke Strahlenausbrüche bemerkbar, wenn ihnen eine Gaswolke oder ein Stern zu nahe kommt und sie diesen verschlingen.

Röntgenausbruch vom zerrissenen Stern

Ein solches Ereignis haben Astronomen am 24. November 2018 beobachtet: Ein supermassereiches Schwarzes Loch in einer 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie verschlang einen nah vorüberziehenden Stern. Das aufgeheizte Material des zerrissenen Sterns gab starke Röntgenstrahlung ab, die aus einer Region unmittelbar am Ereignishorizont des Schwarzen Lochs zu kommen schien – und mehr als ein Jahr anhielt.

„Damit ist dieses Schwarze Loch geradezu ein Bilderbuchbeispiel für sogenannte Tidal Disruption Flares“, erklärt Erstautor Dheeraj Pasham vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Astronomen bezeichnen so die Strahlenausbrüche, die entstehen, wenn Objekte durch die enormen Gezeitenkräfte am Schwarzen Loch zerrissen werden. Im Falle des ASASSN-14l getauften Ausbruchs war die Strahlung jedoch nicht kontinuierlich, sondern blitzte alle 131 Sekunden auf.

Rotation mit 50 Prozent Lichtgeschwindigkeit

Das Interessante daran: Diese Periodizität verrät, dass sich das Schwarze Loch dreht – und wie schnell. „Um die Rotation eines Schwarzen Lochs zu messen, muss man Strahlung beobachten können, die aus der innersten Region des Akkretionsstroms stammt“, erklären die Forscher. Die Röntgenblitze von ASASSN-14l erfüllten diese Bedingung, denn sie stammen von Sternenmaterial, das unmittelbar am Ereignishorizont kreist und kurz vor dem Verschlungenwerden steht.

Aus dem Takt der Röntgenblitze und der geschätzten Größe des Ereignishorizonts ermittelten die Astronomen, dass der verborgene Massegigant mit 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit rotiert. „Das ist nicht außergewöhnlich schnell, es gibt auch Schwarze Löcher, die mit 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit rotieren“, sagt Pasham. „Aber dies ist das erste Mal, dass wir einen solchen Spin mithilfe des Tidal Disruption Flares bestimmen konnten“, so der Forscher.

Weißer Zwerg am Ereignishorizont?

Merkwürdig jedoch: Die Röntgenblitze waren extrem stark – viel stärker als für ein Tidal Disruption Flare an diesem Schwarzen Loch zu erwarten war. „Zuerst wollten wir es nicht glauben, weil es so stark war“, berichtet Pasham. „Aber wir haben es in drei verschiedenen Teleskopen gesehen – es musste daher real sein.“ Um eine Erklärung für die ungewöhnliche Intensität dieses Strahlenausbruchs zu finden, testeten die Forscher verschiedene Szenarien in einem astrophysikalischen Modell.

Das Ergebnis: Am wahrscheinlichsten ist es, dass nicht nur das Material des zerrissenen Sterns um das Schwarze Loch kreist, sondern noch ein weiterer, verborgener Himmelskörper. Dabei könnte es sich um einen Weißen Zwerg handeln, wie die Astronomen berichten. Dieser kreist vermutlich schon seit geraumer Zeit im innersten gerade noch stabilen Orbit und fiel bisher nicht weiter auf.

Als dann jedoch der Stern vom Schwarzen Loch zerrissen wurde, fiel ein Teil des glühenden Materials auf den Weißen Zwerg und ließ ihn hell aufstrahlen. Er wirkt damit wie ein kosmischer Signalverstärker und könnte die Quelle der starken, periodischen Röntgenblitze sein. Lange wird jedoch auch der Weiße Zwerg seinen engen Tanz ums Schwarze Loch nicht überleben: „In wenig mehr als hundert Jahren wird auch der Weiße Zwerg in das Schwarze Loch stürzen“, sagt Pasham. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aar7480)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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