Gleichzeitig tot und lebendig: Physiker haben erstmals eine besondere Variante von Schrödingers Katze realisiert – dem berühmten Gedankenexperiment zur quantenphysikalischen Überlagerung. In ihrem Experiment übertrugen die Forscher Überlagerungszustände von einem gefangenen Atom auf einen Laserpuls. Dieser repräsentierte so eine optische Version der „Katze“, die noch dazu mobil und in Quantennetzen versendbar ist, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Photonics“ berichten.
Das Phänomen der Überlagerung ist eine ungewöhnliche Eigenheit der Quantenwelt: In ihr nehmen Atome oder andere Teilchen solange mehrere mögliche Zustände gleichzeitig ein, bis ihr Status gemessen wird. Der Physiker Erwin Schrödinger erklärte dieses Phänomen mit einem berühmten Gedankenexperiment. In einem Kasten sitzt eine Katze, deren Leben vom Zerfall eines radioaktiven Atoms abhängt: Zerfällt es, wird Gift frei und die Katze stirbt. Doch solange man nicht in den Kasten hineinschaut, ist die Katze nach quantenmechanischer Sicht gleichzeitig tot und lebendig.
Seither haben Physiker solche quantenphysikalischen Überlagerungszustände schon mit mehreren Systemen und Teilchen experimentell nachgebildet – mit Elektronen, Gruppen von Photonen und sogar mit Molekülen aus mehr als 400 Atomen.
Photonenpuls im Überlagerungszustand
Eine neue Variante von Schrödingers Katze haben nun Forscher um Gerhard Rempe vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik umgesetzt. Die Besonderheit dabei: Ihre Katze kann den Kasten verlassen und bleibt trotzdem im Überlagerungszustand. „Optische Katzenzustände, wie wir sie realisiert haben, sind nicht in eine Kiste eingesperrt, sondern fliegen frei“, erklärt Rempe. „Trotzdem bleiben sie von ihrer Umgebung isoliert und können somit über weite Distanzen aufrecht erhalten bleiben.“
Im Experiment besteht der „Kasten“ aus einem optischen Resonator, einem Hohlraum mit zwei gewölbten Spiegeln. In diesem ist ein Rubidium-Atom eingefangen, dessen Quantenzustände die Forscher in einen Überlagerungszustand bringen. Nun kommt die „Katze“ ins Spiel: Sie besteht aus einem Laserpuls, der durch die Wechselwirkung mit dem Resonator mit dem Atom verschränkt wird – und auch dessen Überlagerungszustand übernimmt.
Optische Katzen lernen fliegen
Die Photonen des Laserpulses wurden durch diese Wechselwirkung zu einem Äquivalent von Schrödingers Katze. „Es ist uns gelungen, fliegende optische Katzenzustände herzustellen und zu zeigen, dass sie den Vorhersagen der Quantenmechanik entsprechen“, berichtet Koautor Stephan Welte. „Wir konnten somit beweisen, dass unsere Methode funktioniert und weiterhin untersuchen, welche Parameter entscheidend sind.“
Diese neue Methode eignet sich nicht aber nur dazu, Überlagerungszustände von Atomen auf bewegliche Photonen zu übertragen, die Art der Zustände lässt sich auch gezielt steuern: „In unserem Experiment können wir nicht nur einen bestimmten Katzenzustand herstellen, sondern beliebig viele mit unterschiedlichen Phasen der Überlagerung – also quasi einen ganzen Zoo“, erklärt Weltes Kollege Bastian Hacker.
Übertragung im Quantennetzwerk
Das Spannende daran: Weil die „Katzen“ in diesem System mobil sind, könnten sie künftig dafür genutzt werden, Quanteninformationen zu kodieren und zu übertragen. Denn die Photonen behalten ihren Überlagerungszustand auch dann, wenn sie beispielsweise durch eine Glasfaser gesendet werden, wie die Forscher erklären. Zudem könnten solche „Katzen“ als Qubits in Quantencomputern eingesetzt werden.
„In Zukunft möchten wir mit dieser Technologie ganze Quantennetzwerke aufbauen, bei der fliegende optische Katzen Information übertragen“, sagt Rempe. (Nature Photonics, 2019; doi: 10.1038/s41566-018-0339-5)
Max-Planck-Institut für Quantenoptik