Mysteriöse Monsterwellen: Forscher rätseln seit Jahren darüber, wie Riesenwellen im Meer entstehen – einzelne Wasserberge, die zwei- bis dreifach höher sind als der umgebende Wellengang. Jetzt ist es Wissenschaftlern gelungen, eine der berühmtesten Riesenwellen im Wellentank nachzubilden – und so ihre Entstehung zu enträtseln. Entscheidend sind demnach sich kreuzende Wellenzüge, die in großem Winkel aufeinandertreffen.
Sie kommen scheinbar aus dem Nichts: Riesenwellen, die sich plötzlich bis zu dreimal höher auftürmen als der normale Seegang. Am 1. Januar 1995 traf eine solche 25 Meter hohe „Freak Wave“ die Ölplattform Draupner in der Nordsee – sie war die erste eindeutig durch Messungen belegte Welle dieser Art. Inzwischen kennen Forscher drei verschiedene Arten solcher „Monsterwellen“ – doch ihre Entstehung ist noch immer nur in Teilen geklärt – auch weil sie nur schwer im Wellenkanal nachzubilden sind.
Riesenwelle bei 120 Grad-Winkel
Genau dies ist nun Mark McAllister von der University of Oxford und seinem Team gelungen. Für ihr Experiment nutzten sie keinen klassischen Wellenkanal, sondern ein rundes Wellenbecken. Ihre Vermutung: Möglicherweise entstehen Riesenwellen vom Draupner-Typ, wenn Wellen aus zwei Richtungen aufeinandertreffen. Um das zu testen, erzeugten sie im Becken Wellenzüge, die sich in Winkeln von 0, 60 und 120 Grad kreuzten.
Und tatsächlich: Bei einem Wellenwinkel von 120 Grad bildete sich inmitten des normalen Seegangs im Becken plötzlich eine einzelne „Monsterwelle“. Hochgerechnet auf marine Maßstäbe entsprach ihre Höhe und Form nahezu exakt der der Draupner-Wellen, wie die Forscher berichten. Und nicht nur das: Zu ihrem Erstaunen glich die Riesenwelle verblüffend der berühmten Welle auf dem historischen Holzschnitt des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai.
Wasser-Fontäne und stehende Welle
Doch wie kam diese einzelne Riesenwelle zustande? Auch das konnten die Wissenschaftler in ihrem Wellentank beobachten: „Wenn die sich kreuzenden Wellen aufeinandertreffen, bildet sich ein Strahl, der das Wasser aufwärts katapultiert“, berichten McAllister und sein Team. „Im Fokuspunkt wird dadurch wird ein Großteil der Vorwärtsbewegung der Welle aufgehoben und das resultiert in einer teilweise stehenden Welle.“
Das Entscheidende dabei: Normalerweise begrenzt das Brechen der Welle ihre maximale Höhe. Dies geschieht, wenn die Wasserteilchen am Wellenkamm sich schneller bewegen als ihr unterbau. Doch bei einer Riesenwelle wird dies durch den Aufwärtsstrahl und die stehende Welle verhindert. „Dadurch ist die erreichbare Höhe dieser Riesenwelle nicht mehr begrenzt“, so die Forscher.
Wertvolle Einblicke
Nach Ansicht der Wissenschaftler sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass die Kreuzung von Wellen in großem Winkel eine entscheidende Rolle für die Entstehung von Freak Waves spielen. „Unsere Laborbeobachtung hat nicht nur erhellt, wie sich die berühmte Draupner-Welle ereignet haben könnte, sie beleuchtet auch die Bedeutung des Wellenbrechens bei sich kreuzendem Seegang“, erklärt McAllisters Kollege Ton van den Bremer.
„Indem wir die Draupner-Welle im Labor nachgebildet haben, sind wir einen Schritt darin vorangekommen, dieses Phänomen zu verstehen“, ergänzt McAllister. (Journal of Fluid Mechanics, 2019; doi: 10.1017/jfm.2018.886)
Quelle: University of Oxford