Kiebitz und Co in Gefahr: Seit 1980 ist in Europa mehr als jeder zweite Feldvogel verschwunden. Das ist das Ergebnis einer europaweiten Zählung von Feldlerche, Star, Kiebitz und Co. Umweltschützer machen für den alarmierenden Rückgang vor allem die moderne Landwirtschaft und die EU-Agrarpolitik verantwortlich. Eine Trendwende sei nur durch ein politisches Umdenken zu erreichen.
Feuchtwiesen, von denen trillernd Feldlerchen aufsteigen oder Stoppeläcker, auf denen sich im Winter Rebhühner versammeln: Anblicke wie diese werden in Europa immer seltener. Denn Feldvögel gehören zu der am stärksten gefährdeten Vogelgruppe auf unserem Kontinent – eine Gruppe, die neben Feldlerche und Rebhuhn auch Arten wie Star, Kiebitz, Uferschnepfe und den Brachvogel umfasst.
Wie sehr sich der Bestand dieser Vögel verändert, haben Wissenschaftler vom European Bird Census Council in Nijmengen in den vergangenen Jahrzehnten genau beobachtet und nun aktuelle Zahlen veröffentlicht. Ihre Ergebnisse verheißen nichts Gutes: Zwischen 1980 und 2016 sind in der EU rund 57 Prozent aller Feldvögel verschwunden – und damit mehr als jedes zweite Tier.
Kaum noch Rückzugsräume
Doch warum geht es den Feldvögeln – anders als etwa den Waldvögeln, deren Bestände der Erhebung zufolge halbwegs stabil sind – so schlecht? Als Hauptursache für den Rückgang sehen Umweltschützer die Intensivierung und Monotonisierung der Landwirtschaft: Viele Arten finden kaum noch geeignete Rückzugsräume und Brutplätze. Zudem fehlt es ihnen zunehmend an Nahrung wie Insekten und Wildkräutern.
„Vögel zeigen uns zuverlässig an, wie gesund eine Landschaft ist. Wenn die Bestände von Feldlerche und Co einbrechen, ist es ein Zeichen dafür, dass unsere Wiesen und Felder veröden. Und auch dafür, wie fatal sich die aktuelle EU-Agrarpolitik auf die Vogelwelt auswirkt“, kritisiert der Bundesgeschäftsführer vom Naturschutzbund NABU, Leif Miller.
Keine Besserung in Sicht
Der europaweiten Vogelzählung zufolge verharren die Feldvogelbestände in Europa bereits seit 2012 auf einem äußerst niedrigen Niveau, ohne dass eine Besserung in Sicht wäre. Im Gegenteil: In den neu zur EU hinzugekommenen Mitgliedsstaaten befinden sich die Bestände sogar weiter im Abwärtstrend – eine Entwicklung, für die der NABU die EU-Politik verantwortlich macht.
„Seit die EU-Agrarsubventionen auch in Bulgarien, Polen oder Lettland eine umweltschädliche Landwirtschaft anheizen, gerät auch in Mittel- und Osteuropa die einst so vielfältige Natur zunehmend unter die Räder. Von dem Ziel der EU-Vogelschutzrichtlinie, alle Arten in einen guten Erhaltungszustand zu bringen, sind wir weiterhin meilenweit entfernt“, bemängelt Miller. Für Deutschland geht der Nabu von einem Schwund von mehr als 40 Prozent der Feldvögel seit 1980 aus.
Agrarpolitik in der Pflicht
Angesichts der alarmierenden Situation fordert der NABU eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik: „Für Landwirte muss es sich finanziell lohnen, auf ihren Flächen Lebensraum für Feldlerchen oder Kiebitze zu erhalten. Bislang bewirkt die EU das Gegenteil: Durch die Förderung von Flächenbesitz, ohne Rücksicht auf die Art und Weise wie auf den Flächen gewirtschaftet wird, sind Landwirte zu einer immer stärkeren Ausräumung ihrer Felder gezwungen. Damit muss Schluss sein, im Interesse von Natur, Verbrauchern und Landwirten“, konstatiert Miller.
Der Zeitpunkt dieser Forderung könnte passender nicht sein: Aktuell verhandeln die EU-Mitgliedstaaten in Brüssel über die künftige Verteilung der Agrar-Subventionen und konkrete Umweltmaßnahmen für die gemeinsame Agrarpolitik.
Quelle: European Bird Census Council/ NABU