Biologie

Tabak schickt gefräßige Raupen zur Konkurrenz

Verzögerte Abwehr garantiert den Pflanzen den besten Effekt

Raupen des Tabakschwärmers
Nikotin können die gefräßigen Raupen des Tabakschwärmers tolerieren - doch wenn ihre Wirtspflanze andere chemische Abwehrstoffe produziert, suchen sie das Weite. © Pia Backmann

Geschicktes Timing: Tabakpflanzen wehren sich häufig erst verzögert gegen schädlichen Raupenbefall – doch warum? Forscher haben nun herausgefunden, dass diese verspätete Reaktion den entscheidenden Erfolg bringt: Sie vertreibt die Plagegeister genau dann zu benachbarten Pflanzen, wenn diese so richtig Appetit bekommen und besonders gefährlich werden. Gleichzeitig spart sich der Tabak dadurch wertvolle Energie, die eine frühere Abwehr kosten würde.

Pflanzen haben im Laufe ihrer Evolution effiziente Strategien entwickelt, um sich gegen gefräßige Feinde wie Insekten zu verteidigen. Eine ihrer bewährtesten Methoden ist die Chemiekeule: Viele Arten produzieren chemische Abwehrstoffe, die hungrigen Krabbeltieren nicht gut bekommen.

Auf diese Weise setzt sich auch der Wilde Tabak (Nicotiana attenuata) gegen die Raupen des Tabakschwärmers (Maduca sexta) zur Wehr. Er produziert sogenannte Proteinase-Hemmer, die das Wachstum der auf ihn spezialisierten Fressfeinde hemmen, sie schwächen und sogar töten können. Zusätzlich verströmt die Pflanze bei Raupenbefall Duftstoffe, um Feinde der Raupen anzulocken.

Verspätete Abwehr

Eines aber ist merkwürdig an der Verteidigungsstrategie des Tabaks: Die Pflanze beginnt sich erst gegen die Schmetterlingsraupen zu wehren, wenn diese bereits erste Schäden hinterlassen haben. Warum wartet sie so lange damit? Um dieses Rätsel zu lösen, haben Wissenschaftler um Pia Backmann vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig nun zahlreiche Beobachtungsdaten ausgewertet.

Mithilfe eines Computermodells fanden sie schließlich eine Erklärung. Der Schlüssel liegt demnach in der besonderen Ökologie des Wilden Tabaks. Wie das Forscherteam berichtet, wächst die Art in Wüstengebieten der Vereinigten Staaten, wo die Samen jahrelang im Boden auf ein Feuer warten, um dann alle gemeinsam zu keimen. Entsprechend hoch ist die Konkurrenz zwischen den vielen gleich alten Tabakpflanzen um Wasser und Nährstoffe. Muss sich eine Pflanze dann auch noch mit Fressfeinden herumschlagen, bringt ihr dies große Nachteile.

Zum Nachbarn verscheucht

„Der Wilde Tabak hat allerdings eine trickreiche Möglichkeit gefunden, den ‚Schwarzen Peter‘ weiterzureichen: Die Pflanze schickt die Raupen kurzerhand zu ihren Nachbarn“, berichtet Backmann. Und das klappt dem Modell zufolge am besten, wenn die Raupen des Tabakschwärmers bereits einige Tage alt sind.

Der Grund: Anfangs sind die Raupen noch zu klein und unbeweglich, um den Weg bis zu einer anderen Pflanze zu schaffen. Zudem fressen sie auch noch recht wenig, die entstehenden Schäden sind also gering. Ab einem Alter von etwa zehn Tagen geht das Fressen jedoch richtig los: Ab jetzt konsumieren die Raupen weit über 90 Prozent der Blattmasse, die sie bis zu ihrer Verpuppung zum Schmetterling in einem Alter von etwa 21 Tagen zu sich nehmen werden. Zudem sie sind jetzt groß genug, um auf eine andere Pflanze zu wechseln, wenn es ungemütlich wird.

Auf das Timing kommt es an

Deshalb startet die Pflanze die Produktion von Giftstoffen optimalerweise erst etwa vier Tage nach dem Raupenbefall. Bis die Abwehr vollständig aktiv ist, dauert es dann noch ein paar weitere Tage, wie die Wissenschaftler berichten. Beginnt die Pflanze dagegen früher mit der Verteidigung, geht der Schuss möglicherweise nach hinten los: Zwar gelingt es ihr vielleicht, die Raupe nach einigen Tagen zu töten. Da die Produktion der Abwehrstoffe aber Energie kostet, wird die Pflanze letztlich im Wachstum hinter ihren Artgenossen zurückbleiben.

„Für die Tabakpflanzen gilt bei der Produktion von Abwehrstoffen also nicht: je schneller, desto besser“, sagt Mitautorin Nicole van Dam von der Universität Jena. „Stattdessen geht es darum, die Verteidigung zum richtigen Zeitpunkt zu aktivieren: Denn dann krabbelt die Raupe zur Nachbarin und schwächt diese – und die trickreiche Pflanze wird am Ende ihre Konkurrentin überragen.“ (The American Naturalist, 2019; doi: 10.1086/700577)

Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung

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