So exotisch der „vierte Zustand“ der Materie erscheint – in der Technik ist er längst alltäglicher Helfer. Denn mithilfe hochkonzentrierter Plasmajets lassen sich Metalle und andere stromleitende Werkstücke zerschneiden, ätzen oder auch verschweißen. In der Raumfahrt könnte Plasma dagegen zu einer wichtigen Antriebstechnik der Zukunft werden.
Für feinste Leiterbahnen und dicken Stahl
Ein Einsatzgebiet von Plasma-Werkzeugen ist die Halbleitertechnik. Denn die winzigen Leiterbahnen heutiger Elektronik werden meist mithilfe des Plasmaätzens produziert. „Ein Beispiel ist der Mikrochip in unserem Smartphone: Er war wahrscheinlich hundertmal einem Plasma ausgesetzt“, erklärt Bill Graham von der Queens University in Belfast. Trifft der hochfokussierte Ionenstrahl des Plasmas auf die Halbleiteroberfläche, schlägt er dort je nach Zusammensetzung des Plasmas entweder Atome oder Moleküle heraus oder führt zu chemischen Veränderungen. Dies ermöglicht es, Leiterbahnen von wenigen Nanometern Dicke herzustellen.
Aber auch in größerem Maßstab werden Plasmen zur Bearbeitung von Oberflächen und Werkstücken eingesetzt. In der Stahl- und Aluminiumindustrie nutzt man Plasmaschneider, um Bleche zu zerteilen und in maßgerechte Formen zu bringen. Dafür erzeugt ein elektrischer Brenner einen Lichtbogen, der das Schneidgas erhitzt und ionisiert. Es entsteht ein stark gebündelter Plasma-Schneidstrahl, der das Metall beim Auftreffen schmilzt und gleichzeitig die Schmelze aus dem Schnitt herausschleudert. Dadurch sind schnelle, saubere Schnitte selbst in harten Metallen möglich.
Doch Plasma kann nicht nur Material abtragen – es kann auch hinzufügen, beispielsweise bei der Beschichtung von Oberflächen. Dabei reagieren die Elektronen und Ionen des Plasmas mit einer verdampften Vorstufe des Beschichtungsmaterials und bringen dies dazu, sich auf der Oberfläche abzulagern. Eingesetzt werden solche plasmagestützten Gasabscheidungsverfahren beispielsweise, um Siliziumschichten auf Halbleiterplatinen aufzubringen.
Raumfahrt: Plasma liefert Schub und Rohstoffe
In der Raumfahrt könnte Plasma künftig die Basis für innovative, rein elektrische Antriebe bilden. Solche Plasma- und Ionenantriebe nutzen den Schub, den ein konzentrierter, schneller Strahl aus Ionen erzeugen kann. Dafür werden zunächst Wasserstoff oder ein Edelgas durch ein starkes elektrisches Feld ionisiert. Ein Magnetfeld sorgt dann dafür, dass dieses Plasma konzentriert und auf Überschalltempo beschleunigt wird. Der durch eine Düse austretende Plasmastrahl kann nun nach dem Rückstoßprinzip Schub ausüben.
Das Problem: Bisherige Plasmaantriebe haben nur einen geringen Wirkungsgrad und benötigen für die Erzeugung des Antriebsplasmas viel elektrische Energie. Neuere Konzepte sollen dies jedoch ändern. So entwickelt die Europäische Raumfahrtagentur ESA zurzeit mit „Helicon“ einen Plasmaantrieb, der deutlich leistungsstärker sein soll als alle bisherigen elektrischen oder magnetplasmadynamischen Antriebskonzepte. Forscher tüfteln bereits an Sonden, die mithilfe einer speziellen Variante dieser Helicon-Düsen Weltraumschrott aus dem Orbit stoßen sollen.
Eine Forschergruppe der Universität Lissabon sieht in kaltem Plasma eine vielversprechende Technologie für künftige Marsmissionen. Denn mit seiner Hilfe könnten Astronauten aus dem Kohlendioxid der Marsatmosphäre Sauerstoff zum Atmen gewinnen. Erste Tests zeigen, dass dies trotz der geringen Dichte der marsianische Gashülle möglich wäre. „Niedertemperatur-Plasmen gehören zu den besten Mitteln für die Zerlegung von CO2 in Sauerstoff und Kohlenmonoxid“, erklärt Vasco Guerra. „Mit ihnen könnte man daher nicht nur einen stabilen Vorrat an Sauerstoff erzeugen, sondern auch Treibstoff.“ Denn Kohlenmonoxid kann auch zum Angtrieb von Raketen genutzt werden.