Klima

Riesen-Loch unter Antarktis-Gletscher entdeckt

Thwaites-Gletscher ist von kilometergroßer Kaverne unterhöhlt

Thwaites-Gletscher
Der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis ist von einer riesigen wassergefüllten Kaverne unterhöhlt. © NASA/OIB/Jeremy Harbeck

Loch unterm Eis: Unter einem der größten Gletscher der Antarktis haben Forscher einen enormen Hohlraum entdeckt. Die wassergefüllte Kaverne unter dem Thwaites-Gletscher ist zehn Kilometer lang und 350 Meter hoch. Dies entspricht rund 14 Milliarden Tonnen Eis, die in den letzten Jahren geschmolzen sind. Das Problem: Der Gletscher wird durch solche Hohlräume destabilisiert und schmilzt schneller – und er allein könnte den weltweiten Meeresspiegel um 65 Zentimeter anheben.

Bereits 2017 haben Forscher entdeckt, dass viele Gletscher der Westantarktis die Bodenhaftung verlieren: Tiefe Schluchten im Meeresgrund lassen warmes Tiefenwasser bis weit unter die Gletscherzungen vordringen und unterspülen das Eis. Wie eine Fußbodenheizung fördern diese wassergefüllten Kanäle das Abtauen der Eisunterseite. In der westantarktischen Amundsen-See, in die auch der große Thwaites-Gletscher mündet, könnte die Schmelze deswegen sogar schon unumkehrbar sein.

Eisriese mit weitreichender Wirkung

Der Thwaites-Gletscher ist einer der größten Gletscher der Antarktis. Allein seine Gletscherfront ist 160 Kilometer breit, insgesamt hat er die Fläche von Florida. Die Eismenge in diesem Eisstrom ist groß genug, um beim kompletten Abtauen die Weltmeere um 65 Zentimeter ansteigen zu lassen. Schon jetzt hat sein Schmelzwasser einen Anteil von vier Prozent am weltweiten Meeresspiegelanstieg. Weil er zudem wie ein Korken den Strom benachbarter Gletscher bremst, würde sein Verschwinden die Pegel insgesamt sogar um 2,40 Meter erhöhen.

Schlechte Neuigkeiten haben nun Pietro Milillo vom Jet Propulsion Laboratory der NASA und sein Team. Sie hatten für ihre Studie Daten des NASA-Projekts IceBridge ausgewertet, das mittels Messflugzeugen und eisdurchdringendem Radar die antarktischen Gletscher durchleuchtet und vermisst. Dadurch erhielten die Forscher neue Einblicke in die Struktur der Unterseite des Thwaites-Gletschers und seiner Grundlinie – der Zone, ab der eine Gletscherzunge nicht mehr auf dem Grund aufliegt.

Zehn Kilometer lange Höhle

Das überraschende Ergebnis: Die Westseite des Thwaites-Gletschers ist von einer riesigen Kaverne unterhöhlt. Sie ist zehn Kilometer lang, vier Kilometer breit und 350 Meter hoch. Das Ausmaß dieses wassergefüllten Hohlraums überraschte selbst die Forscher: „Wir haben zwar seit Jahren vermutet, dass der Thwaites-Gletscher nicht fest mit dem Untergrund verbunden ist“, sagt Koautor Eric Rignot von der University of California in Irvine. Aber statt vieler kleinerer Kanäle eine so enorme Lücke zu sehen, sei erstaunlich.

Der Hohlraum unter dem Gletscher ist so groß, dass er einst 14 Milliarden Tonnen Eis beherbergte – und ein Großteil dieses Eises sind erst in den letzten drei Jahren geschmolzen, wie die Wissenschaftler berichten. „Die Größe des Hohlraums unter einem Gletscher spielt eine wichtige Rolle für das Abtauen“, erklärt Milillo. „Je größer er ist, desto mehr Wärme gelangt unter das Eis und desto schneller schmilzt es.“

Schmelzrate deutlich beschleunigt

Die Auswirkungen des enormen Hohlraums sind am Thwaites-Gletscher bereits deutlich sichtbar: Weil seine Westseite unterhöhlt ist, bewegt sich die Eiszunge mit den Gezeiten auf und ab. Als Folge bewegt sich die Grundlinie des Gletschers weit hin und her – und rückt insgesamt immer weiter zurück. Durch diese Bewegungen destabilisiert, schrumpft die Gletscherzunge dort um 200 Meter Eis pro Jahr, wie die Forscher berichten.

Auch die Ostseite des Gletschers ist unterhöhlt, wenn auch nicht so ausgedehnt. Dort sind es eher kleinere Tunnel und Kanäle, die die Eisunterseite durchziehen: „Auf der Ostseite vollzieht sich der Rückzug der Grundlinie durch viele rund einen Kilometer breite Kanäle – wie Finger, die unter den Gletscher reichen, um ihn von unten abzutauen“, berichtet Milillo. Dadurch habe sich auch dort die Schmelzrate verdoppelt, liege aber noch unter der der Westseite.

Modelle unvollständig

Wie die Wissenschaftler erklären, sprechen diese Daten dafür, dass die Wechselwirkung von Polarmeer und Gletschern komplexer sind als bisher angenommen – und sie belegen, dass die gängigen Modelle unvollständig sind. Denn bisher gingen diese von nicht wachsenden, eher statischen Hohlräumen unter dem Eis aus. Doch die Entdeckung der riesigen Kaverne unter dem Thwaites-Gletscher demonstriert nun, wie groß diese Hohlräume werden können.

„Es ist essenziell, genau zu verstehen, wie der Ozean an diesem Gletscher nagt“, sagt Rignot. „Denn nur dann können wir vorhersagen, welche Auswirkungen er auf den Meeresspiegelanstieg in den kommenden Jahrzehnten haben wird.“ (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aau3433)

Quelle: NASA

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