Geowissen

Indonesien-Beben brach „Tempolimit“

Ungewöhnlich schneller Bruch machte Erdbeben vom September 2018 zu einer Besonderheit

Erdbebenschäden auf Sulawesi
Zerstörungen in der Nähe der Stadt Palu auf Sulawesi nach dem Erdbeben vom 28. September 2018. © Devina Andiviaty/ CC-by-sa 3.0

Schneller als „erlaubt“: Das Erdbeben, das im September 2018 einen verheerenden Tsunami in Indonesien auslöste, war in gleich mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich, wie nun zwei Studien enthüllen. Denn das Gestein riss dabei schneller auf, als man es bei einer solchen Plattengrenze für möglich hielt. Der Bruch überholte die vom Beben ausgelösten Scherwellen und brach damit sozusagen das geologische „Tempolimit“, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Am 28. September 2018 ereignete sich vor der Küste von Sulawesi ein Erdbeben der Magnitude 7,5 – mit verheerenden Folgen. Die Erschütterungen lösten einen Tsunami aus, der das Küstengebiet rund um die Stadt Palu mit bis zu neun Meter hohen Flutwellen überschwemmte. Mehr als 4.000 Menschen starben, viele weitere wurden schwer verletzt. Ursprung des Bebens war eine Blattverschiebung – eine Plattengrenze, an der zwei kleinere Erdplatten seitlich aneinander vorbeigleiten.

Ungewöhnlich dabei: Normalerweise entstehen Tsunamis immer nur dann, wenn abrupt große Mengen an Wasser verdrängt werden. Bei Blattverschiebungen jedoch ist das wegen der nur seitlichen Bewegung der Bruchzone nicht der Fall. Erst später stellte sich heraus, dass die Erdstöße einen unterseeischen Erdrutsch verursacht hatten, der letztlich den Tsunami auslöste.

Palu-Beben
Lage des Epizentrums und der aufgerissenen Verwerfung beim Palu-Beben. © USGS

Scherwellen als Tempolimit

Doch es gibt etwas noch Ungewöhnlicheres an diesem Erdbeben, wie nun gleich zwei Studien enthüllen. Für ihre Studien hatten die Teams um Anne Socquet von der Universität Grenoble und Han Bao von der University of California in Los Angeles Daten von Seismometer-Netzwerken und Satellitendaten zu diesem Beben analysiert. Ziel war es, das Tempo und den genauen Ablauf des Bruchs in der Erdkruste zu rekonstruieren.

Typischerweise breitet sich ein Riss entlang einer Verwerfung mit relativ konstanter Geschwindigkeit von rund drei Kilometern pro Sekunde aus. Damit liegt das Risstempo meist unter der Geschwindigkeit der dabei erzeugten Scherwellen – der seitlichen Schwingungen im Gestein. Ein Risstempo von 92 Prozent der Scherwellengeschwindigkeit gilt daher als eine Art seismologisches Tempolimit.

Supershear-Beben: selten, aber verheerend

Sehr selten jedoch überschreitet ein Erdbeben dieses Limit und der Riss in der Verwerfung überholt die von ihm erzeugten Scherwellen. Dann kommt es zu einer Wellenüberlagerung, die zu besonders verheerenden Schäden führt. Beispiele sind unter anderem das Erdbeben von Izmit im Jahr 1999, ein 7,9-Beben im Denali-Gebiet in Alaska 2002 und möglicherweise auch das Erdbeben, das 1906 San Francisco zerstörte. Bislang jedoch waren solche „Supershear“-Beben nur von sehr geraden, glatten Verwerfungen bekannt.

Umso überraschender waren die Ergebnisse der aktuellen Studien: Beide Forscherteams kommen zu dem Schluss, dass auch das Erdbeben bei Palu ein Supershear-Beben gewesen sein muss. Denn obwohl das Beben nur rund 30 Sekunden dauerte, riss die Plattengrenze dabei auf gut 150 Kilometern Länge auf, wie die Satellitendaten belegten. Die Wissenschaftler errechneten, dass der Riss sich im Schnitt mit 4,3 bis 5,2 Kilometern pro Sekunde ausgebreitet haben muss – und damit schneller als die Scherwellen.

Supershear auch beim Palu-Beben

„Der Bruch und die Verschiebungsmessungen des 7,5-Erdbebens von Palu zeigen die typischen Merkmale eines Supershear-Erdbebens“, sagen Socquet und ihr Team. Demnach überschritt das Risstempo mindestens auf einigen geraden Abschnitten der Verwerfung das übliche seismische „Tempolimit“. „Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Supershear-Tempo beibehalten wurde, obwohl die Verwerfung einige große Biegungen macht“, ergänzen Bao und seine Kollegen.

Nach Ansicht der Forscher könnte dies bedeuten, dass solche besonders verheerenden Supershear-Beben selbst dort auftreten können, wo man es bisher nicht für möglich gehalten hätte. Demnach könnten selbst krumme, komplexere Verwerfungen in diesem hohen Tempo aufreißen. Begünstigt wird dies vermutlich vor allem an den Plattengrenzen, an denen häufige Beben das Gestein brüchiger gemacht haben.

Unterschätztes Risiko?

Das hohe Risstempo bei dem Erdbeben vom September 2018 könnte möglicherweise auch erklären, warum die Schäden so immens waren. Die sich überlagernden Scherwellen könnten die Entstehung von Erdrutschen, die Bodenverflüssigung und möglicherweise sogar den Tsunami begünstigt haben, mutmaßen die Forscher. „Hier ist weitere Forschung nötig“, betonen Bao und sein Team.

In einem begleitenden Kommentar schreibt Martin Mai von der King Abdullah Universität in Saudi-Arabien: „Bisher werden solche Risiken bei marinen Blattverschiebungen weitgehend vernachlässigt, wenn es um die Risikoabschätzung geht.“ (Nature Geoscience, 2019; doi: 10.1038/s41561-018-0296-0; doi: 10.1038/s41561-018-0297-z)

Quelle: Nature

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