Umwelt

Giftige Munition in der Ostsee

Versenkte Kampfstoffe geben toxische und krebserregende Chemikalien ab

Munition
Munition aus dem Zweiten Weltkrieg am Grund der Ostsee – von ihr geht auch heute noch Gefahr aus. © CAU Kiel

Toxisches Erbe: Am Grund der Ostsee liegen tausenden Tonnen alter Munition – und diese gibt bis heute giftige Substanzen ab, wie ein EU-Projekt enthüllt. Muscheln und Fische im Umfeld der versenkten Munition reichern demnach arsenhaltige Chemikalien und krebserregende Abbauprodukte des Sprengstoffs TNT an. Ein neues Modell soll nun dabei helfen zu entscheiden, ob ein Munitionsfund geborgen werden kann und soll oder nicht.

Auf dem Grund der Ostsee liegen große Mengen versenkter Munition als Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkriegs – teilweise nicht weit entfernt von der Küste. Die Menge an konventioneller Munition und chemischer Kampfstoffe wird allein in deutschen Gewässern auf 300.000 Tonnen geschätzt. Ein Großteil davon wurde nach Kriegsende absichtlich im Meer „entsorgt“. Bei Kiel liegt beispielsweise das Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide, in dem rund 35.000 Tonnen Seeminen und Torpedos in maximal zwölf Meter Wassertiefe und in Sichtweite zum Strand liegen.

Bergen oder nicht?

Das Problem: Diese Munition ist im Laufe der Zeit stark korrodiert und birgt daher noch Jahrzehnte nach ihrem Versenken Gefahren. Bei der Bergung könnte sie zerbrechen und explodieren. Lässt man sie aber am Meeresgrund, nimmt man in Kauf, dass giftige Substanzen austreten. Wie hoch allerdings die Belastung durch Belastung durch solche Chemikalien-Austritte sind, war bisher nur in Teilen bekannt.

Jetzt haben Wissenschaftler im Rahmen des EU-Projekts DAIMON hierzu mehr Klarheit geschaffen. Für ihre Studie kartierten die Forscher zunächst Munitionsfunde in der Ostsee und nahmen dann Proben von Wasser, Sediment und auch Fischen in diesen Gebieten. Zusätzlich hielten sie Muscheln über längere Zeit in Netzen, die in direkter Nachbarschaft der Sprengkörper befestigt waren.

Krebserregend und giftig

Das Ergebnis: Auch mehr als 50 Jahre nach Versenkung der Munition entfaltet dieser ihre Schadwirkung. Denn bis heute treten aus den versenkten chemischen Kampfstoffen arsenhaltige Verbindungen aus, die Sprengkörper am Meeresgrund setzen Abbauprodukte von TNT frei, wie die Forscher ermittelten. Die Muscheln, die längere Zeit im Umfeld der Munition gehalten wurden, reicherten die giftigen TNT-Abbauprodukte in ihren Geweben an.

Damit sei klar, dass giftige Stoffe aus den Bomben austreten und von den dort lebenden Organismen aufgenommen werden, sagen die Wissenschaftler. Die Folge sind Gesundheitsschäden bei den Meeresbewohnern. Denn TNT und seine Abbauprodukte gelten als krebserregend und erbgutschädigend. Wie die Forscher feststellten, weisen 25 Prozent der Plattfische im Munitions-Versenkungsgebiet Kolberger Heide Lebertumore – deutlich mehr als anderswo. Ein Zusammenhang zwischen lokaler TNT-Belastung und erhöhter Tumorrate liege nahe.

Toolbox gibt Entscheidungshilfe

Auf Basis der neuen Erkenntnisse und ihren Untersuchungen zum Zustand versenkte Munition haben die Wissenschaftler des DAIMON-Projekts nun Handlungsanleitungen für die Risikoüberwachung und Bewertung zusammengestellt. Sie sollen dabei helfen zu entscheiden, ob im Falle eines Munitionsfunds die Fundstücke besser geborgen oder aber im Meer gelassen und nur überwacht werden.

Quelle: Thünen-Institut für Fischereiökologie, Alfred-Wegener-Institut

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