Selbstsicherheit statt Analyse: Der US-Präsident Donald Trump ist für seine eher simplen Aussagen und Kommentare bekannt. Damit ist er zwar ein Extrem unter Politikern, aber keine Ausnahme, wie nun eine Studie enthüllt. Schon seit fast 100 Jahren nehmen Merkmale für analytisches Denken in der Politikersprache ab, selbstsichere und einfache Aussagen dagegen zu, wie die Forscher berichten. Allerdings: Im Niveau seiner Debatten ist Trump tatsächlich ein Ausreißer – nach unten.
US-Präsident Donald Trump ist für seine sehr spezielle Art der Kommunikation berüchtigt. Bereits im Wahlkampf 2016 attestierten ihm Wissenschaftler das sprachliche Niveau eines Grundschülers. Denn Trump nutzt mit Vorliebe Formulierungen mit simpler Grammatik und einfachen Vokabeln. Zudem ist sein Redestil von enormer Selbstsicherheit und eher vereinfachenden Aussagen – bis hin zu platten Lügen – geprägt. Einige Forscher sehen in der Sprache seiner Tweets sogar neurotische Tendenzen.
„Die meisten Forscher und Kommentatoren – egal ob politisch links oder rechts – sind sich einig, dass Donald Trump anders als jeder andere US-Präsident vor ihm ist“, sagen Kayla Jordan und ihr Team von der University of Texas in Austin. „Viele sagen zudem, dass die Einfachheit und Direktheit Trumps der Schlüssel zu seiner Popularität im Wahlkampf und dem ersten Jahr seiner Präsidentschaft waren.“
Verräterische Sprachmerkmale
Aber sind Trump und einige andere populistische Politiker darin eine Ausnahme? Um das herauszufinden, werteten die Forscher mehr als 33.000 Reden, Radioansprachen, Debattenbeiträge und andere Texte von US-Präsidenten und englischsprachigen Politikern der letzten 228 Jahre aus. Mithilfe eines Algorithmus analysierten sie die Sprachmuster auf typische Merkmale für analytisches Denken und Sprechen, aber auch auf den Grad der Selbstsicherheit hin.
Linguistische Marker für die Art der Kommunikation sind dabei vor allem sogenannte Funktionswörter, wie die Wissenschaftler erklären. Dabei handelt es sich um kurze, häufige Wörter, die den Kontext erhellen oder auch Abkürzungen bieten. „Analytische Denker neigen dazu, mehr Artikel und Präpositionen zu verwenden“, erklären die Forscher. „Eher intuitive Denker neigen hingegen dazu, mehr Pronomen, Hilfsverben und Adverbien einzusetzen.“ Würde sich in diesen Sprachmerkmalen ein Trend erkennen lassen?
Trend begann schon vor 100 Jahren
Und tatsächlich: „Das analytische Denken hat bei allen Formen der präsidialen Sprache abgenommen – ob in Ansprachen, Schriften, Wahlkampfdebatten oder der Amtseinführungsrede“, berichten Jordan und ihr Team. Dieser Trend habe in der US-Politik bereits vor rund 100 Jahren begonnen, bei Politikern anderer englischsprachiger Länder dagegen erst um 1980. Parallel zu diesem Trend nahm die Selbstsicherheit in der Politikersprache zu.
„Diese Ergebnisse bestätigen, dass Präsident Trump und andere nicht aus dem Nichts aufgetaucht sind, sondern vielmehr der jüngste Auswuchs eines politischen Langzeit-Trends sind“, konstatieren die Wissenschaftler. „Das Rezept, das Trump höchstwahrscheinlich so erfolgreich machte, wurde schon fast 100 Jahre vor seinem Amtsantritt entwickelt.“
Trump: Niveau bei Debatten einzigartig niedrig
Allerdings: In einer Hinsicht ist Donald Trump dennoch eine Ausnahme. Kein anderer US-Präsident hat in Debatten ein so niedriges Niveau der Analyse wie er. Der US-Präsident lag im analytischen Denken um 30 Punkte unter dem allgemeinen Trend, wie die Auswertung ergab. „Durch die spontanere Natur von Debatten spiegelt Trumps Sprache bei solchen Anlässen seinen natürlichen Hang zu einem wenig analytischen Denken besser wider“, konstatieren Jordan und ihre Kollegen.
Trumps offizielle Reden sind zwar auch weniger analytisch als es dem allgemeinen Trend entspräche. Der Unterschied liegt jedoch nur bei rund vier bis fünf Punkten, wie die Auswertung ergab. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass bei offiziellen Ansprachen andere Trumps Reden schreiben.
Kein allgemeiner kultureller Trend
Doch woher kommt dieser Trend weg vom analytischen und hin zu immer einfacheren, plakativeren Aussagen? Um diese Frage zu klären, haben Jordan und ihr Team untersucht, ob die Politikersprache vielleicht nur ein allgemeines kulturelles Phänomen widerspiegelt. Dafür werteten sie zusätzlich mehr als zwei Millionen Texte aus Medien, Film und Fernsehen und Literatur der letzten 200 Jahre aus.
Das überraschende Ergebnis: Bei keiner der Textarten konnten die Forscher einen ähnlichen, so konsistenten Trend wie bei den Politikern feststellen. Weder Filme, noch Romane oder journalistische Texte spiegeln eine generelle Abnahme des analytischen Denkens und eine Zunahme der Selbstsicherheit wider. Einzige Ausnahme: Der US-TV-Sender CNN. Eine Erklärung sei hier wahrscheinlich der starke Fokus auf die politische Berichterstattung, so die Wissenschaftler.
Was sind die Ursachen?
„Das deutet darauf hin, dass es sich bei diesem Trend um ein primär politisches Phänomen handelt“, konstatieren Jordan und ihre Kollegen. Was allerdings diese Entwicklung weg von analytischen Aussagen auslöste, ist bisher unklar. „Eine Möglichkeit wäre der Aufstieg des Populismus in Europa und den USA, der einen Wandel zu einer zugänglicheren Art der Kommunikation nötig machte“, mutmaßen die Forscher.
Die Veränderungen in den Massenmedien und die direkteren Möglichkeiten, über Fernsehen und Internet zu kommunizieren, könnten ebenfalls Triebkräfte dieses Trends sein. Nach Ansicht der Forscher könnte aber auch ein dritter Faktor eine Rolle spielen: „In Zeiten, in denen das alltägliche Leben immer komplexer und unsicherer wird, könnte ein Anführer besonders attraktiv sein, der intuitive, selbstsichere Lösungen für die gesellschaftlichen Probleme kommuniziert.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2019; doi: 10.1073/pnas.1811987116)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences