Verschobenes Klima: Schon im Jahr 2080 könnte das Klima vieler US-Städte dem von Regionen ähneln, die heute 850 Kilometer weiter südlich liegen, wie eine Studie enthüllt. New York und Boston hätten dann ein Klima wie im Mittleren Westen, Washington DC wie im feuchtwarmen Mississippi. Viele der heute in den Südstaaten liegenden Städte könnten sogar Bedingungen erleben, wie sie in Nordamerika bisher gar nicht vorkamen.
Der Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die globalen Mitteltemperaturen, er verschiebt auch allmählich die irdischen Klimazonen. Schon jetzt zeigen Messungen, dass der Tropengürtel der Erde um 0,5 Breitengrade pro Jahrzehnt wächst. Und auch die angrenzenden Klimazonen verschieben sich im Schnitt um sechs Kilometer pro Jahr polwärts. Schon jetzt können viele Tier- und Pflanzenarten mit dieser Entwicklung nicht schritthalten.
Verschobene Städte
Doch wie werden diese Verschiebungen konkret für uns Menschen erfahrbar sein? Und wie kann man das Geschehen anschaulicher machen? Matthew Fitzpatrick von der University of Maryland und Robert Dunn von der University of North Carolina haben dazu einen ganz praktischen Ansatz gewählt: Für 540 Städte und Ballungsräume in den USA und Kanada haben sie die Klimaveränderungen bis 2080 bei gemäßigtem (RCP 4.5) und ungebremstem Klimawandel (RCP 8.5) ermittelt.
Der Clou dabei: Statt die Ergebnisse in abstrakten Zahlen anzugeben, suchten sie die Region heraus, in der heute schon ein Klima herrscht wie in der Zukunft in der jeweiligen Stadt. Auf einer interaktiven Karte kann so jeder selbst nachschauen, welche virtuelle Verschiebung seine Heimatstadt in Bezug auf das Klima erleben wird. „Ich hoffe, dass das einen echten Aha-Moment auslöst“, sagt Fitzpatrick.
850 Kilometer weiter nach Süden
Das Ergebnis ist drastisch: Geht der Klimawandel so weiter, werden die meisten Städte in Nordamerika klimatisch um rund 850 Kilometer nach Süden rücken. Bei gemäßigtem Klimawandel wäre es eine Verschiebung um 514 Kilometer, wie die Forscher ermittelten. In Washington DC könnte im Jahr 2080 ein Klima herrschen wie heute in Arkansas, bei ungebremstem Klimawandel entspräche das Klima der US-Hauptstadt dem im feuchtwarmen Bundesstaat Mississippi.
Die Ballungsräume im Nordosten, darunter New York, Boston und Philadelphia verschieben sich klimatisch in den Süden des Mittleren Westens. „Anders ausgedrückt: Die Städte des Nordostens werden sich mehr wie das subtropische Klima in Teilen des Mittleren Westens oder des Südostens der heutigen USA anfühlen“, berichten die Forscher. „Das Klima der Städte im Westen wird dagegen eher wie das in den Wüsten des Südwestens oder dem Süden Kaliforniens.“
Klima wie in Mittelamerika
Noch extremer könnte sich das Klima einiger Städte im Süden der USA verschieben: „Noch in der Lebenszeit der heutigen Kinder wird sich das Klima vieler Regionen vom Gewohnten zu Bedingungen verändern, die keine Generation zuvor dort erlebt hat“, sagt Fitzpatrick. Viele Städte könnten Klimabedingungen erleben, für die es im heutigen Nordamerika kein Äquivalent gibt. So verschieben sich die Städte Floridas im Extremfall klimatisch nach Mittelamerika.
Auf die Städte und ihre Bewohner kommen damit Veränderungen zu, die erhebliche Anpassungen erfordern. „Die Infrastruktur dieser urbanen Gebiete muss den Anforderungen dieser neuen Klimabedingungen gerecht werden“, sagen die Forscher. Hinzu kommt: Mit steigenden Temperaturen und veränderten Niederschlägen können auch ganz neue gesundheitliche Risiken auftreten – beispielsweise, indem sich krankheitsübertragende Stechmückenarten verbreiten. (Nature Communications, 2019: doi: 10.1038/s41467-019-08540-3)
Wer selbst anschauen möchte, wo welche Städte im Jahr 2080 klimatisch landen, der kann im Internet eine interaktive Karte der Verschiebungen aufrufen.
Quelle: University of Maryland Center for Environmental Science