Medizin

Diabetes: Therapie mit umprogrammierten Zellen?

Umgewandelte Pankreaszellen können Aufgabe der Insulinproduktion übernehmen

Langerhans-Insel
Fluoreszenzmikroskopie einer Langerhans-Insel: grün markiert die Insulin-produzierenden Beta-Zellen. © Masur/ CC-by-sa 2.5

Ersatz für zerstörte Zellen: Die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse funktionieren bei Patienten mit Diabetes Typ 1 nicht mehr – doch sie lassen sich womöglich ersetzen. Denn andere Pankreaszellen können so umprogrammiert werden, dass sie die Aufgabe der Insulin-produzierenden Zellen übernehmen. Nach der Transplantation derart umgewandelter menschlicher Zellen kam es im Versuch mit Diabetes-kranken Mäusen zu einer Normalisierung des Blutzuckerspiegels, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Patienten mit Diabetes Typ 1 müssen sich regelmäßig Insulin spritzen. Normalerweise übernehmen die Beta-Zellen der sogenannten Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse diese Aufgabe. Doch bei Diabetes Typ 1 greift das körpereigene Immunsystem diese Zellen fälschlicherweise an. Als Folge werden sie im Laufe der Zeit stark beschädigt und produzieren irgendwann nur noch wenig oder gar kein Insulin mehr.

Flexible Umwandlung

Was aber wäre, wenn sich die zerstörten Zellen einfach ersetzen ließen? Diese Idee verfolgen Diabetesforscher schon länger – und haben dabei ein spannendes Phänomen entdeckt: Kommt es bei zuckerkranken Mäusen zu einem extremen Verlust von Beta-Zellen, kompensiert der Körper diesen Verlust in seltenen Fällen selbst. Dann beginnen andere Zellen der Langerhans-Inseln, Insulin zu produzieren und übernehmen so die Aufgabe der verlorenen Beta-Zellen. Diese Umwandlung lässt sich im Labor auch gezielt auslösen.

Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Zelltypen in der Bauchspeicheldrüse prinzipiell flexibel sind – zumindest bei Mäusen. Doch verfügen menschliche Pankreaszellen über die gleiche Plastizität? Dieser Frage ist nun ein Forscherteam um Kenichiro Furuyama von der Universität Genf nachgegangen. Für ihre Studie untersuchten sie zwei Zelltypen der Langerhans-Inseln: Alpha-Zellen, die normalerweise Glucagon produzieren, sowie das sogenannte pankreatische Polypeptid (PP) produzierende Gamma-Zellen.

Erfolg bei Mäusen

Diese von gesunden und Diabetes-kranken Spendern stammenden Zellen versuchten die Wissenschaftler umzuprogrammieren. Dabei zeigte sich: Mithilfe der Transkriptionsfaktoren PDX1 und MAFA lassen sich die Zellen tatsächlich verändern. Werden diese beiden Faktoren übermäßig stark exprimiert, werden die Zellen zu Insulinproduzenten – und schütten das Hormon als Reaktion auf Glucose aus.

Um herauszufinden, wie sich derart veränderte Zellen in einem lebenden Organismus verhalten, führten die Forscher Experimente mit Mäusen durch. Sie transplantierten Diabetes-kranken Tieren umgewandelte Alpha-Zellen von unterschiedlichen menschlichen Spendern. Das vielversprechende Ergebnis: Die Zellen übernahmen verlässlich die Aufgabe der Beta-Zellen und produzierten selbst sechs Monate nach der Transplantation noch wie gewünscht Insulin. Auf diese Weise hielten sie den Blutzuckerspiegel auf einem normalen Niveau und konnten auch andere typische Symptome der Erkrankung lindern, wie das Team berichtet.

Neue Therapien in Sicht?

Damit ist erstmals der Beweis gelungen: Auch ausgereifte menschliche Pankreaszellen sind flexibel und können umprogrammiert werden. Was bedeutet das nun für die Praxis? „Es bleibt abzuwarten, ob künftig Diabetes-Therapien realisierbar sind, die auf der Umwandlung von Langerhans-Insel-Zellen beruhen – zum Beispiel mithilfe von Transkriptionsfaktoren oder pharmakologischen Wirkstoffen“, schreiben Furuyama und seine Kollegen.

Gelingt dies tatsächlich, könnte der Ansatz ihnen zufolge aber nicht nur für Diabetes-Patienten interessant sein. „Adaptive Veränderungen wie diese sind womöglich ein Merkmal unterschiedlicher Zelltypen in vielen Organen“, schreibt das Team. Daher seien auch Anwendungen im Zusammenhang mit anderen degenerativen Erkrankungen denkbar. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-0942-8)

Quelle: Nature Press

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