Letzte Spur: Auf der Halbinsel Gibraltar haben Paläontologen einen fossilen Fußabdruck entdeckt, der von einem Neandertaler stammen könnte. Sollte sich dies bestätigen, wäre es erst die zweite Spur dieser Menschenart weltweit. Ungewöhnlich ist jedoch auch das geringe Alter der durch einen Dünenabbruch freigelegten Spuren: Sie sind erst 29.000 Jahre alt und könnten daher von den letzten Neandertalern stammen.
Als der Homo sapiens sich in Europa ausbreitete, endete die Ära der Neandertaler. Nachdem sie mehr als 250.000 Jahre lang die dominierende Menschenart in Eurasien waren, schwand die Population unseres eiszeitlichen Vetters rasant. Was der Grund dafür war, ist bis heute umstritten – möglich wären ein Klimawechsel, eingeschleppte Krankheiten oder auch ein weniger flexibles Verhalten des Neandertalers. Ebenfalls strittig ist der Zeitpunkt, an dem die letzten Neandertaler Europas ausstarben – eine Population auf der Iberischen Halbinsel.
Spuren im eiszeitlichen Dünensand
Jetzt könnten Fernando Muniz von der Universität Sevilla und sein Team die bisher jüngste Hinterlassenschaft der Neandertaler entdeckt haben – eine Fußspur. Entdeckt wurde der fossile Abdruck, als im Laufe der letzten Jahre immer mehr Sandsteinstücke von einer urzeitlichen Dünenlandschaft oberhalb des Strandes von Catalan Bay abbrachen. Die Bruchstellen legten zahlreiche fossile Spuren aus der Eiszeit frei.
Unter den Abdrücken waren Spuren von Rothirsch, Luchs, Auerochse, Leopard und einem eiszeitlichen Elefantenart, wie die Forscher berichten. Datierungen ergaben, dass diese Tiere auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor rund 29.000 Jahren die küstennahe Dünenlandschaft durchstreift haben müssen. „Diese Funde repräsentieren die ersten fossilen Tierspuren in den äolischen Sedimenten von Gibraltar“, sagen Muniz und seine Kollegen.
Fußabdruck eines jungen Neandertalers
Der entscheidende Fund jedoch ist der schwache Fußabdruck eines Menschen inmitten all dieser Tierspuren. Wie die Forscher ermittelten, muss dieser Abdruck von einer noch jungen, zwischen 1,06 und 1,26 großen Person hinterlassen worden sein. Das Spannende daran: Aus anatomischen Analysen des Abdrucks schließen die Paläontologen, dass dieser Fußabdruck von einem Neandertaler stammen könnte.
Sollte sich das bestätigen, wäre dies in doppelter Hinsicht spektakulär. Denn bisher sind Neandertaler-Fußspuren nur von einem einzigen Ort auf der Welt bekannt: der Vartop-Höhle in Rumänien. Der Abdruck in den Eiszeit-Dünen von Gibraltar wäre damit erst der zweite Fund dieser Art weltweit. Die zweite Besonderheit ist das Alter des Fußabdrucks: Wenn er wirklich erst 29.000 Jahre alt ist, dann wäre er die jüngste Hinterlassenschaft eines Neandertalers überhaupt.
Gab es zu dieser Zeit überhaupt noch Neandertaler?
Allerdings: Gerade die Datierungen von Neandertaler-Relikten auf der Iberischen Halbinsel sind stark umstritten. Bereits 2013 zweifelten Wissenschaftler das junge Alter von weniger als 35.000 Jahren für diese Funde an. In Nachanalysen kamen sie stattdessen auf fast 10.000 Jahre ältere Werte. Ob es demnach vor 29.000 Jahren überhaupt noch Neandertaler auf Gibraltar gab, ist bisher ungeklärt. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der wahrscheinlichste Erzeuger dieses Fußabdrucks dann wohl doch ein Homo sapiens. (Quaternary Science Reviews, 20198: doi: 10.1016/j.quascirev.2019.01.013)
Quelle: Universität von Sevilla